Gut, dann würde ich sagen, dass Sie sich erst mal vorstellen, also wie Sie heißen, wie alt Sie sind, wann Sie geboren sind und welche Verbindung Sie eigentlich zur Wismut haben.
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Also mein Name ist Robert Schmidl, ich bin am 15. März 1964 geboren, in Gera. Meine Verbindung zur Wismut: a, durch meine Eltern, die beide bei der Wismut gearbeitet haben und ich habe dann nach der Schule, nach der 10. Klasse auch eine Lehre bei der Wismut angefangen als Elektriker und auch abgeschlossen dort. Und später dann auch bei der Wismut gearbeitet bis 1996.
Okay, das heißt, Sie sind in Gera groß geworden?
Ja.
Und wenn Ihre Eltern bei der Wismut gearbeitet haben, waren die Verhältnisse, in denen Sie aufgewachsen sind, dann auch eher (...)? Also wie würden Sie das einschätzen?
Eher als was? Eher privilegiert?
Eher privilegiert, materiell abgesichert oder eher ärmlicher?
Ja gut, materiell abgesichert auf jeden Fall. Aber das waren andere auch, die nicht bei der Wismut gearbeitet haben. Es war vielleicht dahingehend dadurch, dass beide Elternteile bei der Wismut gearbeitet haben, vom Geld her besser als jemand, der irgendwo als Verkäuferin gearbeitet hat oder so. Aber ansonsten war das eine ganz normale Kindheit. Wir waren allerdings auch vier Kinder, also die mussten schon ein bisschen Geld verdienen. Ich habe drei Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester und das musste auch alles mit groß werden. Aber direkt von privilegiert würde ich da nicht unbedingt reden.
Okay, also würden Sie sagen, dass Sie glücklich waren als Kind?
Ja, eigentlich schon, na klar.
Und als Kind, was haben Sie da eigentlich so unter Luxus verstanden und was war damals vielleicht für Sie Luxus als Kind?
Pfff, Luxus. Ich weiß nicht, ob man sich da Gedanken drüber gemacht hat. Es gab bestimmte Sachen, über die man sich gefreut hat, klar. Oder die man bekommen hat, ohne dass man irgendwas dafür tun musste. Was weiß ich, und wenn es Schokolade war. Jetzt meine ich aber nicht die Schokolade, die man kaufen konnte. Wir haben das Glück gehabt und haben auch jede Menge Verwandtschaft in der Bundesrepublik gehabt und dadurch waren wir nochmal ein bisschen besser gestellt, als nur Eltern bei der Wismut zu haben. (lacht)
Okay, und wann sind Sie dann zu Hause ausgezogen?
Joy, cool. Ich habe (…)
Also, es reicht, wie alt Sie waren.
1980 bin ich mit der Schule fertig geworden, 10. Klasse PUS, habe dann 1980, ich glaube am 1. September oder so, angefangen mit der Lehre. Die ging bei uns zwei Jahre. Bin dann 1982 fertig geworden mit der Ausbildung (…) und dann wird es kompliziert, weil eine eigene Wohnung ging ja nicht so einfach. Bei der Wismut war es schon einfacher als irgendwo anders. Ich hatte mich dann auch angemeldet für eine Wohnung. Sollte dann eine Einraumwohnung bekommen, aber da hatte ich damals schon eine Freundin und da habe ich mir gedacht, ich ziehe doch nicht mit meiner Freundin in eine Einraumwohnung. Das können Sie knicken. Und habe mich dann quasi umgemeldet auf eine Zweiraumwohnung, um dann von der Wohnungsstelle zu hören zu bekommen, Sie sind ja noch gar nicht verheiratet. Was wollen Sie denn mit einer Zweiraumwohnung? Naja, da haben wir dann geheiratet und zwar 1986. Am 24. Mai 1986 habe ich geheiratet und habe dann relativ kurze Zeit darauf eine Zweiraumwohnung bekommen. Bis dahin haben wir im Kinderzimmer meiner Frau gewohnt, ungefähr ein halbes Jahr.
Also haben Sie die Wohnung über die Wismut dann irgendwie vermittelt bekommen?
Ja natürlich, die Wismut hatte ja ein bestimmtes Wohnungskontingent auf Einraum-, Zweiraum-, Dreiraum-, Vierraumwohnungen und sobald man da bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat, hat man auch eine Wohnung bekommen. Richtig.
Okay und wie war Ihre Wohnung dann ausgestattet? Also, Sie hatten zwei Zimmer (…)
Das war ein kompletter Neubau. Das war ein kompletter Neubau. Das war eine Zweiraumwohnung in Bieblach-Ost. Das wurde ja damals gerade erschlossen, das Wohngebiet und dort war es der erste (…)? Der zweite Block, der gestanden hat. Der erste Block, da waren die Bauarbeiter untergebracht, Bauleitung und so. Und der zweite Block, der fertiggestellt worden ist, da hatte ich eine Wohnung bekommen in der, jetzt muss ich nachdenken, Schwarzburgstraße. Genau.
Okay. Und Ihre Eltern haben bei der Wismut gearbeitet, haben Sie gesagt?
Ja.
Das heißt, sind Sie dann so auch selber zu der Entscheidung gekommen, dort zu arbeiten?
Da ging es mir, glaube ich, so wie euch zu der Zeit. Das heißt, klar kommt der Punkt, wo du merkst, jetzt geht die Schule langsam zu Ende. Man müsste sich mal einen Kopf machen, was man werden will. Nicht einfach. Da schwirren einem wahrscheinlich auch einige Sachen im Kopf rum, was man dann werden könnte, aber so richtig zu einem Ergebnis bin ich dann nicht gekommen und mein Vater war Elektriker bei der Wismut. Und ja gut, Basteln und so ein Zeug haben wir auch immer gemacht, da habe ich mir auch so gedacht, na ja, wirst du halt auch Elektriker. Und dann kam jemand von der Berufsberatung bzw. von der Wismut vorbei, hat dann ein Gespräch geführt und dann habe ich gesagt, ja gut, ich wäre gerne Elektriker geworden bei euch und da haben die gesagt, na gut, dann nehmen wir dich. Genau.
Also waren Sie dann Elektriker. Haben Sie untertage oder übertage oder beides gearbeitet?
Die Ausbildung der Elektriker, der Schlosser und der MAM, das waren Maschinenanlagenmonteure, war in Schlema. Das heißt, ich musste erstmal ins Internat. Die ganze schulische Ausbildung passierte quasi in Schlema und auch die ersten Arbeiten, Praxisarbeiten, wurden auch in Schlema durchgeführt, auch auf den Schächten. Dort war ich auch untertage. Das war eigentlich die einzige Zeit in meiner gesamten Wismutlaufbahn während der Ausbildung, dass ich untertage war. Generell. Nach der Ausbildung war ich nie wieder untertage hier. In dem Gebiet.
Und wie sah dann so ein typischer Arbeitsalltag nach der Ausbildung aus? Also wann waren so die Pausen? Wie sah es mit Urlaub aus?
(seufzt) Das ist ganz schön lange her. Sagen wir mal so, wir hatten ja, also da wo ich gearbeitet habe, ein, das war ein Versatzwerk. Versatzwerk muss man sich vorstellen wie ein großes Betonwerk. Damit werden unter Tage die Hohlräume, die der Bergarbeiter unten in die Erde macht, werden danach wieder verfüllt, dass man dann daneben, darüber oder darunter wieder einen Hohlraum schaffen kann. Und das wird halt mit Beton gemacht. Und ich war in dem Betonwerk nach meiner Lehre dann als Elektriker, als Betriebselektriker tätig. Das ist das Dreischichtsystem, also Montag bis Samstag früh, ganz normal. Die Schicht ging bloß, also ich glaube, die Frühschicht fing an um sechs, die Spätschicht um zwei und die Nachtschicht um zehn. Dann bist du früh aufgestanden, dann bist du zum Bahnhof gelaufen, bist in den Zug eingestiegen, bist nach Berwalde zum Beispiel gefahren, so wie ich, dann bist du aus dem Zug ausgestiegen, dann bist du in den Bus, zum Busbahnhof rüber gelaufen, dann bist du in den Bus eingestiegen und bist bis zu deinem Arbeitsplatz gefahren worden. Dort bist du ausgestiegen, hast dich umgezogen und dann ging es los. Noch einen Kaffee und dann wurde halt gearbeitet. Bei uns, das war jetzt nicht so schwer, das ist Instandhaltungselektriker, du hast dich darum zu kümmern, dass die Anlage läuft und mehr eigentlich nicht.
Sie waren also eher für Wartungsarbeiten und alles zuständig?
Genau.
Okay. Also, was machte die Arbeit bei der Wismut für Sie besonders aus oder gab es irgendwelche einprägsamen Momente oder sowas in die Richtung?
Besonders? Keine Ahnung, ob jemand ein besonderes Verhältnis zu seiner Arbeit hatte, es sei denn, dass vielleicht, keine Ahnung, ein Kindergärtner oder ein Arzt oder so. Bei uns das war eine ganz normale Tätigkeit, wie es auch heute tausendfach in irgendwelchen anderen Firmen, die Wartungselektriker oder Wartungselektroniker haben, dass ist dasselbe. Du bist auf Arbeit gegangen, du wusstest ungefähr, was los ist. Wenn jetzt nichts Grobes kaputt gegangen ist, war es eigentlich ein relativ entspannter Arbeitstag. Klar musst du bei der Elektrik immer ein bisschen aufpassen. Wäre schon schön, wenn man nicht alles vergisst, was man so lernt. Aber ansonsten war das eigentlich ganz normal. Und besonders einprägsam (…), klar gab es vielleicht mal zwei, drei Vorfälle, aber das hatte weniger was mit unserer Arbeit zu tun. Das waren, was weiß ich, Unfälle oder irgendwas. Das gab es ja überall. Das gibt es ja auch heute noch. Das kann schon passieren. Besonders einprägsam eigentlich (…) stinknormales Arbeitsleben. Also mit Höhen und Tiefen, wie es heute halt auch ist.
Und, also im Vergleich zur Arbeit, fanden Sie Ihr Gehalt gerecht? War es zu viel oder zu wenig? Oder wie würden Sie das einschätzen?
Ja gut, zu den Leuten, die jetzt untertage gearbeitet haben, war es weniger, klar. Was ich aber auch einsehe, weil die Jungs untertage haben schon ein bisschen anders arbeiten müssen als wir übertage. Das ist auch Fakt. Aber ansonsten im Vergleich zum Durchschnitt in der DDR haben wir gut verdient, muss ich sagen. Also wir haben im Schnitt 1100, 1200 Mark gehabt. Und das war als Elektriker, ganz normal übertage, schon gut.
Sie haben vorhin Arbeitsumfälle erwähnt, wie war das generell mit Arbeitsschutz damals? Wie haben Sie das damals wahrgenommen? War das überhaupt ein Thema?
Natürlich.
Wie würden Sie das heute einschätzen?
Arbeitsschutz wurde relativ groß geschrieben, muss ich sagen, also gerade was das Umfeld, wo ich jetzt gearbeitet habe, anging, weil es waren LKWs unterwegs bei uns, es wurde zum Teil auch mit Strahlenschranken, also mit Gammastrahlen gearbeitet und (…) Elektriker so oder so oder Schlosser, das ist jetzt egal. Es war jeden Monat eine Arbeitsschutzbelehrung, auf jeden Fall. Das war, also das finde ich deutlich, es war mehr ausgebaut als vielleicht heute, muss ich sagen.
Und wie war das mit der Strahlung, also wie bewusst waren Sie sich dort, dass Sie dort Strahlung ausgesetzt sind? Wurde das angesprochen?
Na, es gibt ja, sagen wir mal so bei uns in der Firma oder im Betrieb war das ja so, dass nur bestimmte Bereiche, zum Beispiel dort wo diese LKWs sind, das kennst du heute auch, wenn du LKWs siehst, die Beton transportieren. Die haben doch hinten so eine Trommel drauf.
Ja. Und der Füllstand beim Beladen wurde mit einer Gammaschranke, also mit Gammastrahlung gemessen. Die haben das nicht über Gewicht gemacht, zum Teil auch über Zeit, ja, aber das wurde im Prinzip mit Gammastrahlen gemessen. Das heißt, wenn das Fahrzeug reingefahren ist und der Behälter war leer, ging die Gammastrahlung durch den Behälter durch bis zu einer Sonde, Geiger-Müller-Zählrohr, beziehungsweise zu zwei Sonden und wenn das Fahrzeug dann gefüllt worden ist, war dann als erstes die untere Sonde, die keine Strahlung mehr abgekriegt hat und wenn das Fahrzeug voll war, die zweite Sonde. Dann war die Beladung für das Fahrzeug beendet. Und von uns wusste auch jeder, dass in diesen Beladestellen Gammaschranken sind. Da waren auch riesengroße Warnschilder, Vorsicht Strahlung, und so weiter und so fort. Die waren auch automatisiert. Das heißt, wenn das Fahrzeug reingefahren ist, war die Blende von der Strahlenquelle zu. Da kam auch keine Strahlung durch. Und erst wenn das Fahrzeug den Punkt erreicht wo es dann stehenbleiben konnte, ging erst die Blende wieder auf. Mit Anfang der Beladung ging die Blende auf und die Strahlung wurde freigesetzt und das war eine gerichtete Strahlung. Das war jetzt nichts wie, keine Ahnung, wie eine Atombombe oder so.
Okay, jetzt noch ein bisschen philosophischer: Würden Sie Ihre eigene Sicherheit, auch im Bezug auf Arbeitsschutz, würden sie Ihre eigene Sicherheit und Ihre Gesundheit als Luxus einschätzen?
Als Luxus. Sagen wir mal so, es ist schon schön, dass man die Möglichkeit hat, zu sagen, pass auf, so geht das nicht. Ich brauche das, das und das, wenn ich die oder die Arbeit machen soll. Ich kann ja nicht halbnackig irgendwo rumrennen und weiß genau, hier ist entweder Strom oder heiße Medien oder Gas oder sonst was. Die Möglichkeit haben wir ja hier bei uns. Das ist vielleicht in anderen Ländern nicht ganz so. Da heißt es halt, du machst das und dann gehst du halt so wie du bist. Ob das jetzt Arbeitsschutzschuhe sind, Handschuhe oder irgendwas, das ist schon (...). Wir merken es vielleicht nicht als Luxus, aber wenn man jetzt Berichte sieht, wie andere Leute arbeiten müssen, ist es vielleicht doch Luxus. Und vor allen Dingen, wir müssen es auch nicht selber bezahlen. Das heißt, das was wir brauchen, muss der Arbeitgeber stellen. Und nicht wie in anderen Ländern, dass du quasi mit dem Zeug anrücken musst. Und das war eigentlich schon immer so. Also jedenfalls hier in Deutschland.
Also würden Sie das für (…), also im Vergleich mit anderen Ländern eher als Luxus einschätzen?
Im Vergleich mit anderen Ländern, ja, aber für mich ist es eigentlich normal.
Okay. Also, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie eine Freundin haben und dass Sie geheiratet haben. Ich werde nochmal darauf zurückkommen. Also, haben Sie eine Familie gegründet?
Ja.
Und wie war das dann? Also, hat Ihre Familie von Ihrer Arbeit bei der Wismut profitiert in irgendeiner Weise?
Ich hatte 1986 geheiratet, habe dann die Wohnung bekommen und dann passierte erstmal nichts, wir waren dann quasi zu zweit erstmal, zu zweit mit unserer Wohnung. Dann 1989 musste ich erst mal zur Armee, mit 25, quasi letzter Drücker. Kurz vorher ist meine Frau schwanger geworden von mir, also ich war quasi zur Geburt meiner Tochter nicht zu Hause. Und dann hatten wir die Wende. Also, die Familie an sich hat von der Wismut jetzt, bis auf die Wohnung, die wir bekommen haben, nicht weiter profitiert, nö.
Okay. In unsere Seminarfacharbeit soll es dann auch um das Alltagsleben nach der Arbeit gehen, deshalb würde ich jetzt mal auf Ihre Freizeit mit zu sprechen kommen. Also, wie haben Sie generell Ihre Freizeit verbracht und mit wem? Was waren so Aktivitäten, die Sie damals gemacht haben? (lacht)
(lacht) Ich glaube nicht, dass sich das zu heute unbedingt unterscheidet. Wir sind genauso zu Hause geblieben, wir sind genauso weggegangen, wir sind ins Kino gegangen, wir haben Urlaubsreisen gemacht. Ich habe während der, also während meiner Zeit bei der Wismut oder solange das noch DDR war und auch während der DDR-Zeit oder solange es noch DDR war, haben wir den kompletten Ostblock bereist, inklusive, was weiß ich, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, SU, alles mögliche. Das war vielleicht auch ein Plus, dass wir halt reisen konnten über Jugendtourist. Das ging aber von der Elektronik aus. Meine Frau hat bei der Elektronik gearbeitet und die hat sich um das Reisen gekümmert und ich quasi um das Geld fürs Reisen.
Okay. Von der Wismut wurden ja auch teilweise bestimmte Freizeit- oder Kulturangebote oder auch Urlaube angeboten. Haben Sie sich (…), sind Sie darauf zurückgekommen?
Da hatte ich während meiner Zeit, einen einzigen habe ich mal gehabt, genau. Einen sogenannten Ferienplatz habe ich mal, quasi mal nachgefragt, ob man da was bekommen könnte und da hatten wir einen Bungalow in Mecklenburg für zwei Wochen. Das war das Einzige, wo ich wirklich von der Wismut mal das genutzt habe, das Angebot an Ferienplätzen oder so. Während meiner Kindheit waren wir einige Male an der Ostsee, das ging aber dann über meine Eltern, ja. Das war Zinnowitz, das waren wir zwei, drei, vier, fünf Mal so. Genau. Und das waren aber auch Ferienobjekte der Wismut, richtig.
Okay, und gab es sonst noch irgendwelche Sonderangebote, die von der Wismut ausgingen, die Sie vielleicht irgendwie in Anspruch genommen haben?
Sonderangebote weiß ich nicht, ob man das so nennen kann, aber klar hatten wir ja eigene Verkaufsscheine auf den Schächten. Das heißt im Gegensatz zur normalen Bevölkerung hatten wir auch Weihnachten, was weiß ich, Orangen oder Bananen oder sowas, das ja. Das haben, na klar haben wir das mitgenommen.
Okay, wo Sie gerade von Bananen reden, gab es bestimmte Produkte, die Sie damals auch in der DDR als Luxusprodukte eingeschätzt hätten? Also die weniger verfügbar waren oder nur für bestimmte Leute oder nur für bestimmtes Geld?
Na klar gab es das und das habe ich auch so gesehen, aber (…) es war vielleicht schwieriger Sachen zu bekommen, aber es war nicht unmöglich. Ich war Elektriker, hallo? Und irgendjemand hat immer irgendwas gebaut und hat auch immer irgendwas gebraucht. Also das, sagen wir mal so, Beziehungen waren eigentlich das A und O, das Geld spielt nicht unbedingt mal eine Rolle. Aber irgendjemand kannte wieder irgendjemanden, der wusste, dass es zu dem und dem Zeitpunkt was weiß ich, und wenn es eine Stereoanlage war, gab. Auch wenn ich die jetzt nicht gebraucht habe, die Anlage, aber ich kenne jemanden, der eine braucht. Da habe ich dem das gesagt und der hat die dann gekauft. Das ist (…), das war, ja, eine Kreislaufwirtschaft eigentlich. Man musste nur genügend Leute kennen, dann konnte man eigentlich auch alles bekommen. Außer das, was es vielleicht wirklich nur im Intershop gab. Dann wird es dann hartig.
Okay, und (…), also wie war das dann Ihrer Einschätzung nach generell? Gab es oder war es so, dass sich eher nur Leute, die bei der Wismut gearbeitet haben, so Luxusgüter und Urlaube und so Luxusprodukte leisten konnten? Oder war das verhältnismäßig so?
Nee, würde ich nicht sagen, dass es nur in der Wismut war. Um Gottes Willen. Da gab es noch andere Firmen und andere Betriebe, die waren der Wismut letztendlich gleichgestellt oder vielleicht sogar noch besser. Da braucht man nur an Jena denken, Carl-Zeiss oder was auch immer. Es gibt überall Firmen, die sich quasi zum Teil selbst versorgt haben oder zum Teil selbst eingekauft haben. Und alle die, die das über ihren Betrieb nicht machen konnten, die haben dann meistens jemanden gekannt, der da wieder jemanden kennt und so weiter und so fort. Das ist (…), das kann man sich vielleicht so gar nicht mehr vorstellen, aber das ist wirklich so gewesen, das ist richtig krass.
Ja, ich verstehe, wie das dann gelaufen ist scheinbar, ja. Dann (…), also, wie war es dann nach der Wende? Haben Sie dann weiter bei der Wismut gearbeitet oder wurde der Betrieb dann irgendwann eingestellt? Wie war das dann?
Ne. Der Schachtbau (…), wir haben ja, wir als Betonwerk haben, oder als Versatzwerk, wie das geheißen hat, haben zwei Schächte betreut. Das war einmal der JBB Ernst Zillmann, das war Bärwalde und dann der Schacht Drosen. Das war der letzte, der gebaut worden ist, Drosen. Und für diese beiden Schächte haben wir den Beton hergestellt, womit die ihre Löcher wieder zugemacht haben. Und die Produktion wurde ja dann langsam runtergefahren und (…), aber die Schächte mussten immer noch verfüllt werden und somit blieb das Versatzwerk. Ich bin (…), 1996 habe ich aufgehört und so lange gab es das Versatzwerk noch. Also ich war einer der letzten, der quasi aus dem Werk dort raus ist und danach wurde es planiert.
Okay, und was haben Sie dann danach gemacht, nach Ihrer Arbeit bei der Wismut?
Ich habe erstmal einen Aufhebungsvertrag gemacht, weil die wollten mich zum Bäume pflanzen oder was auch immer zur Rekultivierung schicken, da hatte ich überhaupt keinen Bock drauf. Konnte aber auch die große Klappe haben, weil ein Bekannter von mir hat hier in Gera eine Firma aufgemacht, eine Autoglaserei. Und da habe ich mir gedacht, machst du halt mal sowas. Und das habe ich dann auch gemacht. Habe also bei der Wismut aufgehört, Aufhebungsvertrag gemacht, Abfindung kassiert und bin dann als Autoglaser eingestellt worden.
Okay und (…), also können sie irgendwie rückblickend nochmal sagen, was damals als junger Erwachsener ihr Ziel im Leben war und ob sich das bis heute geändert hat? Also war es eher so materielle Dinge wie ein Haus oder ein Auto oder eher so eine Familie gründen?
Eine Familie war wichtiger eigentlich. Haus wollte ich nie haben. Wozu? Keine Ahnung, es gibt genug Wohnungen. Und wenn mir der Nachbar nicht gefällt, ziehe ich aus. Das ist beim Haus relativ schwierig. Und ne, da waren wir uns mit meiner Frau eigentlich schon immer einig. Ein Haus wollen wir nicht, brauchen wir nicht. Und dann lieber leben. Also sprich reisen und halt mal alles, alles was man so braucht. Ein Auto, zwei Autos und noch ein Motorrad. Sowas. Also eher in Richtung materiell und Familie, aber jetzt nicht in Richtung Haus oder Eigentum oder so, nö. Das nicht.
Hat sich das bis heute geändert?
Nee, eigentlich nicht. (seine Uhr klingelt) Jetzt nicht.
(lacht) Okay.
Nee, wie gesagt, es ist eigentlich wichtiger, es ist halt... (Uhr klingelt erneut) Ey, jetzt ist es aber gut hier.
…viel Spaß im Schnitt haben.
(lacht) Ja.
(nimmt Anruf an) Lars, es stört gerade. Aber, ja... Nee, ich habe hier gerade ein Interview… Ge, wir sehen uns heute Abend... Okay, tschau tschau, der ist bei mir zu Hause… Tschau... Die Kerle haben Durst.
Okay, naja, wir haben nicht mehr viel.
: Nö, alles gut.
: Wir werden zum Ende noch etwas philosophisch wieder, weil unsere Seminarfacharbeit bezieht sich auch auf das Thema Luxus und dementsprechend würde ich Sie noch fragen, ob sich Ihr Begriff von Luxus und Wohlstand während ihrer Zeit geändert hat. Also wie war das früher und wie würden Sie das heute entschätzen? Was ist für Sie Luxus?
(seufzt) Luxus ist eigentlich Zeit haben. Heute. Ich meine, Geld, ja, sicher spielt Geld eine Rolle, man sollte vielleicht nicht zu wenig davon haben, aber ich weiß nicht, ob so (…), ob viel Geld unbedingt Luxus bedeutet. Ich denke eher, Luxus ist wirklich genügend Zeit zu haben für sich selber, für seine Familie, mittlerweile für Enkel. Das ist eigentlich Luxus und das ist auch das, wonach man eigentlich (….), oder wonach ich eigentlich strebe. Alles andere, was drumherum ist, ob das jetzt Geld ist oder irgendwas anderes, ist eigentlich in meinen Augen gar nicht so wichtig. Dann eher (…), lieber Zeit verbringen mit Enkel oder mit der Tochter oder so was oder mit dem Schwiegersohn oder mit meiner Frau und Urlaub machen. Urlaub ist ganz wichtig. Also Urlaub ist auf jeden Fall ein Luxus, den sollte man sich auf jeden Fall gönnen. Alles andere, ach, ob man dann zwei Fernseher, drei Fernseher oder vier Fernseher zu Hause hat, ist eigentlich pieps-egal, weil gucken kann man nur auf einem. Und deswegen ist Zeit und Miteinander mit Menschen, die einem was bedeuten, noch wesentlich wertvoller und auch erstrebenswerter und das ist eigentlich Luxus. Für mich.
Haben Sie das damals auch schon so gesehen?
Eigentlich ja, weil es ging uns nie wirklich schlecht, wir hatten nie wirklich zu wenig Geld, wir hatten eigentlich alles das, was wir brauchen, vielleicht auch ein bisschen mehr und deswegen war die Zeit, die man verbringen kann oder miteinander verbringen kann, eigentlich auch schon wichtig. Also Urlaube würde ich auf jeden Fall als Luxus, als erstrebenswerten Luxus ansehen, auf jeden Fall. Weil die Zeit kann einem keiner nehmen, die man da hat. Alles andere, das kann mal weg sein, aber das nicht.
Also ist Luxus für Sie eigentlich hauptsächlich Zeit?
Ja, genau.
Okay.
Zeit und Zeit verbringen mit den Leuten, die einem wichtig sind.
Alles klar. Dann gibt es Dinge, die Ihrer Meinung nach heutzutage mehr wertgeschätzt werden sollten?
(seufzt) Ja, klar. Ich meine die Arbeit an sich auch und das meine ich nicht unbedingt mal, dass man dann dafür mehr Geld bekommen sollte oder so. Aber das gesamte Miteinander ist wichtiger, dass man halt auch mal hört, das war jetzt gut, was du gemacht hast oder lieber sowas. Also ich bin jetzt über den Punkt weg, wo ich sagen würde, ich müsste ein bisschen mehr Geld haben. Da ist es mir wesentlich lieber, es sagt mir jemand, das hast du gut gemacht oder das sieht gut aus, oder (…). Aber genauso wichtig ist, wenn jemand sagt, das war jetzt nicht so in Ordnung. Das müssten wir vielleicht noch ändern. Aber ansonsten, das sollte sich vielleicht ein bisschen ändern oder in puncto Wertschätzung ja, dass man vielleicht eher mal in Richtung Lob und so geht. Nicht unbedingt materiell.
Falls ich da mal einhaken darf, gibt es da so einen krassen Unterschied auch so zur Zeit bei der Wismut, die Wismutbelegschaft, dann vielleicht auch in den Betrieben, wo Sie sonst gearbeitet haben oder halt generell jetzt, in Ihrem Betrieb, wo Sie jetzt auch tätig sind?
(seufzt) Ich weiß nicht, ob der Zusammenhalt früher unbedingt größer gewesen ist, weil wir waren bei uns bei den Elektrikern auf jeden Fall, wir waren auch zu zerstreut, es war jetzt keine Nachbarschaft da. Es war wirklich so, der eine ist auf dem Dorf groß geworden und hat dort gewohnt, der andere ist in Zeitz groß geworden und hat in Lusan gewohnt. Es hat sich jetzt, also jedenfalls in meinem Arbeitsumfeld hat man sich jetzt nicht nach der Arbeit noch getroffen. Also das wäre jetzt zu viel des Guten gewesen. So gut haben wir uns nun auch nicht verstanden. Aber ansonsten zu heute oder zu den Firmen danach, ne, muss ich nicht sagen. Also es ist es weder schlechter noch besser geworden. Eher besser.
Gut, dann habe ich erstmal noch eine abschließende Frage: Hat die Zeit bei der Wismut irgendeine besondere Bedeutung für Sie, rückblickend? Oder gibt es irgendetwas, was Sie in dieser Zeit gelernt haben oder was Sie daraus mitgenommen haben?
Na, auf jeden Fall kann ich sagen, ich war Bergmann. Das war auf jeden Fall was. Wobei dann die Bergmänner immer gesagt haben, du warst nur Elektriker. Ich sag: Na und? Aber ich war dabei. Nee, aber direkt mitgenommen (…). Nee, klar, es ist schon eigenartig, wenn man dann mal einen Filmbericht sieht oder so, wie die Jungs da eingefahren sind untertage und so weiter und das ganze drum herum gesehen hat, was wir da mit der Landschaft veranstaltet haben. Das haben wir vielleicht damals gar nicht so gesehen. Sicher haben wir in Ronneburg die Halden gesehen und alles, aber ob das jeden so richtig berührt hat, keine Ahnung. Und dass da ganze Ortschaften quasi platt gemacht worden sind, nur für Uran oder (…), naja. Mitgenommen (…), na so wie es früher ausgesehen hat, sollte es nicht nochmal aussehen. Also das gefällt mir jetzt schon wesentlich besser, auch von den Farben her. Wenn ich so in die Umgebung gucke von Gera, das war alles ein bisschen gruseliger. Alles grau, na was heißt alles grau, nicht unbedingt, aber es sah schon alles ein bisschen (…). Aber nicht so schlimm wie in der Tagebaulandschaft um Leipzig, also das war ja das Allerletzte. Oder da wo ich bei der Armee war, das war Merseburg, na das war ja ganz gruselig. Also wenn dann schon Verkehrsschilder dort stehen, wo drauf steht Industrienebel, na da willst du nicht wohnen. Auch nicht im Luftort Merseburg. Nee, ansonsten ist schon alles in Ordnung, wie es jetzt ist. Ist schon besser so.
Okay, dann gibt es von eurer Seite noch Nachfragen?
Ich hätte noch ein paar Fragen.
Sehr gut, dann können Sie jetzt loslegen.
Es gibt noch ein paar, die auch, genau, noch ein paar andere Spieler noch interessieren und die mich vor allem auch interessieren.
Ja, ich bin jetzt nicht auf die Buga eingegangen.
Genau. Ne. Genau, also das können wir auch gleich noch machen, weil da sind wir ja jetzt gerade auch angekommen. Also vielleicht erstmal so, Sie meinten am Ende noch so, ja, ich war halt Bergmann. Wie ist denn das jetzt so, wenn Sie (…), nehmen Sie noch so Veranstaltungen war?
Ne.
Oder wenn Sie sehen, hier findet irgendwas zur Wismut statt, gehen Sie da, tauchen Sie da auf oder nicht? Und wenn ja, warum nicht?
Ne.
Also, wenn ja, warum?
Keine Ahnung, es ist zu lange her. Und wie gesagt, liegen jetzt auch mittlerweile eins, zwei, ist das die dritte Firma nach der Wismut, wo ich jetzt arbeite? Nee. Also so zu (…), direkt zur Wismut, außer jetzt, dass ich halt dort gearbeitet habe, gelernt habe und so habe ich eigentlich keinen Bezug mehr. Ne.
Hatten Sie da irgendwie auch starke Gefühle, als die so, als die Wismut so niederging oder hatten Sie das eigentlich eher so gar nicht?
Nein. Nein. Nö, das fand ich nicht schlimm. Erstens war ich in einem Alter, wo ich eh noch was anderes machen kann. Ich war jetzt nicht abhängig davon, dass hier (…), was weiß ich wie, die Jungs, die hier dann aufhören müssen oder schon älter waren, dass das mich dann so betroffen hätte. Und wie gesagt, ich habe einen normalen Beruf gelernt, also ich hätte jederzeit auch woanders arbeiten können, wenn ich es denn gewollt hätte. Ja.
Ich habe noch so ein paar Fragen auch so in Richtung, jetzt der Erinnerungskultur, was z.B. auf der Neuen Landschaft passiert ist, vielleicht waren Sie auch mal im Objekt 90, in diesem Museum. Finden Sie das, also finden Sie das gelungen, wie quasi auch mit der Vergangenheit umgegangen wird, oder auch wie die Sanierung thematisiert wird, wie dort Bildungsarbeit irgendwie auch passiert oder Erinnerungsarbeit?
Das auf jeden Fall. Natürlich. Also das was mit der neuen Landschaft, die neue Landschaft ist ja eigentlich ein Tagebau gewesen. Ist ja Tagebau Lichtenberg gewesen und da haben sie ja quasi einen Großteil der Halden, die rund um Ronneburg standen, mit reingekippt unter anderem. Aber echt, das finde ich schon gut, weil wie gesagt, das musste auch gemacht werden. Auch die Sanierung, dass die noch weiter geht und immer noch weiter geht, das ist auch dringend notwendig, weil, wie gesagt, die Grubenbaue sind zum Teil noch erhalten und auch wenn der Erzgehalt hier im Thüringer Raum nicht so hoch ist wie, was weiß ich, Aue, Schlema, Schneeberg, ist es schon wichtig, die Sache zu überwachen, weil das wird noch ewig gehen, dass wir halt einen erhöhten Strahlungswert haben und auch in Richtung Radon da halt auch aufpassen müssen. Aber wir sind nicht ganz so schlimm wie (…), wie gesagt, Aueraum oder Schlema oder Schneeberg, wo das Zeug quasi auf Halde gekippt worden ist durch einen Silberbergbau oder was auch immer die dort gemacht haben. Von der Seite her ist es schon (…). Aber wichtig ist eine Sanierung schon und auch die Überwachung, definitiv.
Vielleicht auch da nochmal so ein bisschen mit Blick auf dieses (…), das ist ja ein politisches Thema, diese Sanierung, aber auch vielleicht schon damals, dadurch, dass Sie ja auch in der Wismutfamilie groß geworden sind, hatten Sie damals auch präsent, dass halt auch dieser Uranabbau, was mit dem Kalten Krieg und dem Systemkonflikt zu tun hat? Oder wie haben Sie da vielleicht auch so Sicherheitsvorkehrungen wahrgenommen? Vielleicht als Kind, war Ihnen das bewusst?
Also Sicherheitsvorkehrungen nicht. Das war mir als Kind vielleicht gar nicht so bewusst. Das wurde dann erst so, was weiß ich, so vielleicht 7. Klasse, 8. Klasse, 9. Klasse, 10. Klasse, war das dann schon eher ein Thema, wo man dann auch eher mal gefragt hat. Gerade mein Vater war in Seelingstädt im Aufbereitungsbetrieb und ja klar, Uran ist ein Kernbrennstoff, ich meine wer in Physik ein bisschen aufpasst, der weiß was man damit machen kann, jetzt nicht nur Kraftwerke, dass halt auch andere Sachen davon gemacht werden können oder gebaut werden können, aber (seufzt) es war Arbeit. Und ich alleine oder irgendjemand anders alleine hätte es eh nicht ändern können. Es war immer noch ein SDRG, sowjetische Aktiengesellschaft, also (…), wir haben auch direkt dann neben der Kaserne gewohnt, also bei meinen Eltern jedenfalls in der Straße des Bergmanns. Also wir hatten quasi (…), die russische Präsenz war da.
Wie sah das denn etwa aus, also wie war der (…)
Na die hatten ja, bei uns, das waren ja Neubaublöcke, wo meine Eltern gewohnt haben, in der Straße des Bergmanns und (…), die Jungs von der (…), von CA jetzt, Sowjetsarmee, die Offiziere haben in den selben Blocktypen oder Wohnblocktypen gewohnt wie meine Eltern. Und wir hatten, da war auch kein Zaun oder irgendwas dazwischen, die hatten ganz normale ihre Wohnungen, das sah ein bisschen anders aus, das ist richtig, die haben auch im Sommer ihren Fisch am Fenster getrocknet, den sie gefangen haben, das gab es bei meinen Eltern jetzt quasi nicht, aber (….), die haben auch Schweine im Keller gehalten, warum auch immer, keine Ahnung, aber ansonsten waren das eigentlich, die sind auch ihrer Arbeit nachgegangen, die haben sich quasi in der Wohnung angezogen, die Uniform angezogen, dann sind die raus. Sind die 200 Meter zu ihrem Tor gelaufen und haben dann ihre Soldaten betreut. Oder auch nicht.
Hatten sie das Gefühl, dass sich das auch in manchen Stellen vermischt hat, auch irgendwie?
: Nein. Nein. Also in meinem Bekanntenkreis hat sich niemand mit den Russen vermischt. Definitiv nicht, nein. Das war (…), wie soll ich sagen, vielleicht ein Beobachten. Es ist vielleicht im Arbeitsleben oder sagen wir mal (…), na bei mir nicht mehr so. Aber als meine Eltern jünger waren und gearbeitet haben auf den Schächten, war das eher ein Thema, weil dort war ja noch zum Teil auch russisches Militär als Wachdienst eingeteilt und auch mehr russische Spezialisten da. Also da kann das schon eher passieren. Das auf jeden Fall. Es haben auch verschiedene Frauen von Offizieren mit in den Medpunkten gearbeitet, das weiß ich von meiner Mutter. Und die haben sich dann schon unterhalten, aber die hatten auch, die hatten ihre eigenen Busse (…), also vermischt hat sich da nichts, meiner Meinung nach.
Okay, da sind wir nämlich auch schon wieder bei so Freizeit- und Alltagsleben. Sie hatten vorhin auch erzählt, dass es so bestimmte Orte gab, wo sich dann nach der Arbeit auch getroffen wurde. Gibt es so typische Orte in Gera, wo Sie sich daran erinnern, dass das irgendwas mit der Wismut zu tun hat? Also ob das jetzt irgendwelche Verkaufsstellen waren oder die so gängige Orte waren, wo sich entweder Kumpels getroffen haben oder die für Sie eine ganz große Rolle gespielt haben, so öffentliche Orte?
Also ob sich Kumpels getroffen haben, kann ich jetzt so nicht sagen. Ich meine, die hatten (…), die sind nach der Schicht auf dem Bahnhof in der Metropa, wenn sie Durst hatten. Vor der Schicht nicht. Aber danach, ja gut, wenn die im Wohngebiet halbwegs relativ dicht zusammengewohnt haben, dort gab es überall Gaststätten, das gab es mit Sicherheit. Aber bei uns eigentlich nicht. Wenn wir uns getroffen haben, dann waren das keine Arbeitskollegen, dann waren das ganz normale Bekannte oder Freunde oder was auch immer, wir sind in allen möglichen Gaststätten gewesen. Und mit den Mädels, die haben wir dann entweder ins Interhotel abends in die IBA oder in unsere schöne Zitronenpresse geführt, aber die gibt es ja jetzt auch nicht mehr. Die war (…), na da, wo jetzt die Gera Arkaden sind, da ungefähr an der Stelle, da war das Interhotel und davor war so ein kleines Café. Das war im Sommer auf jeden Fall gut besucht, muss ich sagen. Also wenn man da Geld ausgeben wollte oder Mädels beeindrucken wollte, ging man da hin. Zum Essen und zum Trinken.
Also generell auch, wenn man so an diese Viertel, Bieblach und Lusan, denkt, war da einfach mehr auch von der Infrastruktur los, wenn Sie darauf zurückgucken? So als Lebenswert?
In Lusan schon. In Lusan war mehr los, das weiß ich. Aber ich habe in Lusan nie gewohnt. Das ja, na, die hatten auch die großen Gaststätten, Brüte und was weiß ich nicht alles. Und in Bieblach-Ost, da war es eher dünn. Also das war das letzte Neubaugebiet, was sie gemacht haben und da war von der Seite her noch nicht viel los. Und (…), naja, wir sind einfach in die Stadt gefahren. Straßenbahn gab es ja schon. Oder Auto, oder Motorrad, oder Moped, oder irgendwas hatten wir immer gehabt. Und zur Not sind wir auch gelaufen. Wir hatten ja kein Telefon, wir konnten uns ja nicht absprechen. Also ist man da hingelaufen, hat unten geklingelt, hat die Mutter rausgeguckt vom Kumpel, hast du gesagt, ist der da? Und da hat die gesagt, nein, und da bin ich wieder heimgelaufen. Schön. Heute rufst du an, ist er da? Ja. Na, da kannst du kommen. Das ging damals nicht ganz so einfach. Aber ansonsten, es war wie jetzt.
Okay, es wurde auch schon jetzt häufiger mal über das Saufen gesprochen. Sie sind ja relativ spät, also im Vergleich zu den anderen Zeitzeugen, mit denen wir gesprochen haben, zur Wismut gekommen, weil Sie ja auch noch nicht ganz so alt sind. Welche Rolle hat denn in den 80ern dann auch noch der Wismutfusel gespielt? Der Schnaps?
Na das haben wir natürlich auch mitgenommen. Natürlich. Wir haben übertage ja nicht so viel bekommen. Die Menge kann ich jetzt nicht sagen, keine Ahnung, aber mit Ende der Lehre (…), während der Lehrzeit haben wir ja keinen Schnaps bekommen. Also da war die DDR auch komisch, also erst mit Abschluss der Lehre (…), während der Lehrzeit hatten wir auch Marken bekommen, weil es gab ja Schnapsmarken bei der Wismut und wir hatten aber Schokoladenmarken als Lehrlinge, haben wir Schokolade gekriegt, aber na klar, wir haben unsere, wie hoch das jetzt war, weiß ich nicht, aber wir haben jeden Monat unsere Schnapsmarken bekommen und haben dann für eine Mark und zwölf, glaube ich, pro Flasche dann auch den Schnaps mitgenommen. Den hat man ja auch gebraucht. Jetzt nicht unbedingt für sich selber, aber da kennt man jemanden und der wollte den auch mal haben und da hat man dann was anderes selber bekommen. Also gut geschmeckt hat er mich. Keine Ahnung, was die davon wollten, aber (…), hatten wir auch, ja.
Vielleicht nochmal eine, so eine Sache, wir hatten uns vorhin schon darüber unterhalten, dass ich auch immer auf der Suche nach weiblichen Zeitzeugen. Vielleicht auch nochmal die Frage so an Sie, hatten Sie bei sich in der Ausbildung Frauen im Betrieb?
Nein.
Ansonsten auch generell im Arbeitsalltag?
Im Arbeitsalltag ja, also bei der Wismut, bei uns im Versatzwerk ja, in verschiedensten Stellungen. Die haben bei uns zum Beispiel Materialprobe gemacht, das war nur Frauen, in der Kantine so und so. Da gab es keinen Mann, das war fest in Frauenhand. Verschiedene Sekretärinnen gab es bei uns, ja. Und, jetzt muss ich überlegen, hatten wir bei den Schlossern (…)? Nein, bei den Schlossern noch nicht. Also bei den Elektrikern gab es keine Frau, bei den Schlossern gab es keine Frau, Bahnentladung so und so nicht, die Arbeit war zu schwer. Ne, dann eigentlich nur Büro, genau. Also Produktionsarbeit, außer jetzt Materialbeprobungen waren eigentlich keine Frauen, genau.
Okay. Ich schaue nochmal durch meine Fragen. Fällt euch auch noch irgendwas ein, was ihr noch hinterherschieben wollt?
Also ich hätte noch eine Frage zu Ihrer Kindheit. Sie haben ja schon ein bisschen Ihre Kindheit angeschnitten und würden Sie sagen, dass sich die Kindheit von Ihrer und der jetzt, heutigen Generation sehr unterscheidet? Also in Bezug auf, die Kinder haben heutzutage mit acht Jahren schon ein Handy und sitzen eigentlich nur noch drinnen. Und vielleicht in ihrer Zeit ist man eher rausgegangen und hat mit seinen Geschwistern und mit Freunden draußen im Park gespielt.
Ja, aber warum? Die Frage ist einfach nur warum.
Ja.
Weil wir keine Telefone hatten.
Ja.
Ich weiß nicht, ob das unbedingt anders gewesen wäre, wenn die Technik zu der Zeit schon weiter gewesen wäre. Keine Ahnung. Das lässt sich quasi im Nachhinein jetzt so nicht mehr beantworten, keine Ahnung. Aber (…), mehr bewegt haben wir uns bestimmt zum Teil. Das glaube ich. Schon alleine, was ich vorhin gesagt habe, ich kann nicht anrufen, ob jemand da ist. Das heißt, ich muss erst mal hin. Dann frage ich, ob der da ist und dann im besten Falle ja. Im schlechtesten Falle nein. Und dann wieder zurück. Wohl dem der Freunde in der näheren Umgebung hat und nicht von einem Stadtteil in den anderen muss.
Stadtteil und anderes, da fällt mir noch was ein, das ich auch mir notiert hatte. Sie hatten erzählt, dass Sie in den neuesten Block quasi gezogen sind. Ich finde ja diese Wohnraumplanung auch sehr, sehr spannend. Welche Möglichkeiten gab es denn auch, also gerade wenn man auch ein bisschen Geld hatte, die eigene Wohnung zu individualisieren?
Das geht schon. Das ging auf jeden Fall. Ich meine, Fußbodenbelag ist ein Thema. Den zu kaufen (…), eher schwierig. Also erstmal jemanden zu finden, der welchen hat. Beziehungsweise jemanden finden, der jemanden kennt, der weiß, wo es welchen gibt, so rum. Dann Tapete, dasselbe in grün. Ja, dann wurde es ein bisschen komplizierter. Also wenn man dann sein Bad ordentlich fließen wollte, dann wurde es kompliziert. Dann musste man mindestens zwei, drei Leute kennen, weil einer davon sollte ja wenigstens ein Fliesenleger sein. Kannte ich. War nicht das Problem. Man musste ans Material kommen. Aber das geht auch irgendwie. Also die Möglichkeit, eine Neubauwohnung umzugestalten, geht schon. Ja, ging. Auf jeden Fall. Zum Teil musste man es auch absprechen, wenn man jetzt wirklich eine bauliche Veränderung machen wollte. Wie zum Beispiel mal, in so einem typischen Neubaubad, mal nicht die Toilette quasi gleich gegenüber der Tür zu haben, weil es geht ja auch nach rechts noch ein bisschen Platz und die kann man ja auch in die Ecke setzen. Das geht schon, man musste aber wieder jemanden kennen, der das ganze Zeug verlegt, aber das war machbar, ja. Na klar.
Okay. Hatten Sie zwischendurch überlegt, Gera mal zu verlassen?
: Nein.
: Warum nicht?
Ich habe keine Grund gehabt. Ich habe (…), ich bin hier groß geworden. Es wäre vielleicht anders, wenn man jetzt, was weiß ich, nach der Wismut oder so gedacht hätte, man müsste jetzt mal irgendwo anders hin zum Arbeiten oder so. Aber dadurch, dass meine Frau hier war und dann auch mein Kind, Meine Eltern, meine Schwiegereltern, ich hatte keinen Grund wegzugehen. Und ich war auch nicht einen Tag in meinem Leben arbeitslos. Also von der Seite her, ne, eigentlich nicht. Wobei, ich weiß, dass Gera nicht besonders schön ist, wenn man andere Städte sieht. Aber, ey, egal. Zu den anderen Städten kann ich hinfahren, wenn ich die Nase voll habe, fahre ich da zurück.
Wie war das damals, also während der DDR oder auch in dieser Transformationszeit, wie man das nennt, der Kontakt zu Leuten außerhalb von Gera? Gab es da irgendwie sowas wie einen Sozialneid auf die Wismuter? Oder auch die, also wenn man sich da vergleicht im sozioökonomischen Status, in dem materiellen Wohlstand, hatten Sie Bekannte, Verwandte außerhalb der Region?
Ja, verglichen hat man mit Sicherheit und hat dann vielleicht auch mal nachgefragt, wie habt ihr das gemacht oder wen kennt ihr, weil das hier so aussieht oder so. Aber Neid (…), also Neid kann ich bei mir eigentlich ausschließen, muss ich sagen. Das ist auch eine ganz furchtbare Eigenschaft der Leute, Neid. Ich verstehe nicht, wie man neidisch sein kann. Tut mir leid, keine Ahnung. Das ist mir völlig (…), geht völlig an mir vorbei. Das ist mir (…), es wird immer Leute geben, die mehr haben, die andere Sachen haben, die vielleicht auch schönere Sachen haben, aber deswegen muss ich doch nicht neidisch sein. Ich meine, jeder macht aus seinem Leben das, was er denkt, was er machen muss und wenn es nicht reicht, dann muss man sich entweder mehr anstrengen oder irgendwann mal sagen, na vielleicht reicht es ja doch. Aber Neid ist das allerletzte, was jemand braucht.
Ich hätte noch ein, zwei Sachen und zwar (…), also würden Sie sagen, dass damals mit die reichsten bzw. die angesehensten Menschen, die waren, die die meisten Beziehungen hatten oder (…)?
Nicht die reichsten und nicht die angesehensten, aber die hatten es am leichtesten. Weil wenn du ein bestimmtes Umfeld hast oder einen bestimmten Personenkreis, den du kennst und je nachdem wie groß denen ihr Personenkreis wieder geworden ist, potenzieren sich ja deine Möglichkeiten. Weil letzten Endes, du hast irgendwas, was der andere braucht. Das war (…), das ist quasi Urgesellschaft. Das ist wirklich so gewesen zum Teil. Du konntest mit Geld wirklich nicht unbedingt das anfangen, was man heute mit Geld anfangen haben. Da haben dir die Möglichkeiten gefehlt. Weil zum Teil lagen da 100 oder 200 Kilometer zwischen dem Objekt der Begierde, was du hättest mit Geld kaufen können. Aber du hättest ja nicht mal gewusst, dass es dort ist, wenn du nicht 2-3 Leute kennen würdest. Das ist immer das Problem gewesen.
Dann hätte ich noch eine Frage und zwar, was haben denn so Ihre Freunde beruflich, also die Sie im privaten Kreis kannten, was haben die denn so beruflich gemacht? Und gab es da auch manchmal so Momente, wo man gesagt hat, oh, das wäre vielleicht auch interessant gewesen, wenn ich das geworden wäre?
(seufzt) Ja gut, ein Teil, ein Teil der Schulkameraden, die sind selber wieder bei der Wismut gelandet. Zum Teil ähnlich gelagerte Berufe, also handwerkliche Berufe, entweder Zimmermann oder Schlosser oder zum Teil auch BMS, also Betriebsmess- und Regeltechniker oder (…). Ja, das hat sich aber dann irgendwann verloren. Die Freundschaft aus der Schulzeit, das hat sich dann relativ schnell zerstreut, muss ich sagen, auch aufgrund der Tatsache, dass meine damalige Freundin in einem anderen Stadtteil gewohnt hat. Und da habe ich mich dann eher in dem anderen Stadtteil aufgehalten und dann musste sich dann halt quasi ein neuer Freundeskreis erschließen und da kann ich zu der Entwicklung von den Jungs, außer jetzt durch Klassentreffen oder so, nicht mehr viel sagen. Aber ich würde nicht unbedingt sagen, als ich meine Entscheidung getroffen hatte, als Elektriker zu lernen oder Elektriker zu werden, habe ich es eigentlich auch nicht bereut. Weil alles andere, das Leben bleibt ja trotzdem und wenn ich da irgendetwas anderes machen wollte, hätte ich es ja auch machen können, theoretisch. Zwar nicht als Ausbildung oder auch jetzt zum Beispiel kein Studium, das hätte definitiv nicht funktioniert. A, hätte ich kein Abitur gehabt. Und B, weiß ich nicht. Hätte ich nicht gemacht. (lacht) Ist mir zu theoretisch. (lacht)
Das wäre es dann auch von mir.
Das wäre es von dir. Vielleicht nochmal so eine abschließende Frage, so ein bisschen auf DDR allgemein. Würden Sie sagen, Sie sind nostalgisch?
Nein, überhaupt nicht. Ich kann es auch nicht nicht verstehen. Weil, wenn ich das mitunter auch mitkriege, wenn ich dann (…), das sind aber meistens ältere Leute, die dann sagen, ah, das war so schön und das war alles viel besser und, ey dann müsste ich wirklich mal überlegen, jetzt mal wirklich, geht mal in euch und überlegt wirklich, ob das alles besser war. Es war nicht alles besser. Definitiv nicht. Weil (…), warum auch? Das hätte nicht funktioniert. Und die Geschichte zeigt, es hat nicht funktioniert, es geht nicht. So wie die sich das vorgestellt haben, wenn sie es denn so durchgezogen hätten, wie sie es sich (…), oder wie sie es uns erzählt haben, wie sie es machen wollen, wäre das vielleicht gegangen. Aber dazu ist der Mensch glaube ich nicht geschaffen. Keine Chance. Ne, Nostalgie ist ganz furchtbar. Damit kann ich nichts anfangen. Überhaupt nicht.
Das war auch spannend. Ja, also meinetwegen, können wir (…), also, es wurde sehr, sehr viel, ihr habt jetzt sehr, sehr viel und effizient abgearbeitet.
Na, es kann man ja auch eine Frage nach der anderen.
Ja, zack, zack, zack, zack.
Genau, das ist doch richtig so. Klar.
Vielleicht würde ich noch so ein bisschen, ja da habe ich eigentlich auch schon die Frage dazu (…). Was wäre Ihnen wichtig, wenn man Leuten vermitteln möchte, die jung sind oder aus anderen Regionen, aus Deutschland oder meinetwegen sogar europaweit kommen, wenn man die Wismut erklären wollen würde, in drei, vier, fünf Sätzen.
Na, als allererstes ist Wismut gewesen Bergbau, definitiv. Also so wie Steinkohle, Kali, es ist einfach Bergbau und das muss man den Leuten erstmal klar machen. Weil mit dem Namen Wismut (…), ist ja auch falsch eigentlich. Es wurde ja nie Wismut gefördert. Aber man kann ja schlecht sagen, ich war im Uran. Und selbst das ist ja nicht (…), gerade hier im Thüringer Raum, das war ja, deswegen, letzten Endes wurde es ja auch deswegen eingestellt. Weil es war ja ökonomisch komplett sinnlos, diese Mengen an Material untertage zu fördern und dann, was weiß ich, wie viel Kilo (…), wirklich Yellow Cake oder Uran zu produzieren und das wegzuschicken dann. Das ist ökonomisch sinnlos, heutzutage, denke ich mal. Ja, ansonsten erklärt dem einfach, dass das Bergbau ist. Und dass halt uranhaltiges Material gefördert worden ist zum Bau von Brennelementen und zum Bau von (…) Bomben. Ist so.
Das, finde ich, ist ein spannendes Schlusswort. Ja, ich bin durch. Seid ihr durch? Also, so durch fühle ich mich noch gar nicht.
(lacht)
: Nach dem letzten Zeitzeugengespräch war ich durcher (lacht). Aber cool. Super. Dann könnt ihr gerne schon mal die Kameras ausschalten.