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christinebiedermann

Interviewer (Willi)

Also wir hätten erstmal natürlich allgemeine Fragen zur Biografie und so wie sie überhaupt zur Wismut gekommen sind, wie sie aufgewachsen sind, was sie mit der Wismut zu tun hatten.

Interviewer (Willi)

Also wir hätten erstmal natürlich allgemeine Fragen zur Biografie und so wie sie überhaupt zur Wismut gekommen sind, wie sie aufgewachsen sind, was sie mit der Wismut zu tun hatten. Christine Biedermann: Als Kind, bin ich in Berührung gekommen mit der Wismut, relativ zeitig, so vielleicht sechs Jahre alt, und zwar deshalb, weil meine Großeltern in Culmitzsch gewohnt haben. Dass ist einer der sieben Orte, die dann weggebaggert wurden. Wenn wir da von Berga aus, also wir haben in Greiz gewohnt und sind dann von Berga nach Culmitzsch gelaufen. Das waren vier Kilometer. Als Kind nicht so toll. Wenn wir den Schlossberg hoch kamen, da sahen wir gleich links schon die ersten Halden. Ich konnte das als Kind nicht so einordnen. Ich habe immer nur die Erwachsenen gehört, wie die von der Wismut erzählt haben. Einmal hieß es, ja, der Ort, der kommt weg, und einmal hieß es, nein, wir können nun doch bleiben. Das geht mir ziemlich nahe, heute noch. (emotional) Dann war es aber 1968 so, dass der Ort doch weggebaggert wurde, dass die alle umgesiedelt wurden, nach Berga, nach Greiz, Pohlitz, nach Langenberg, jedenfalls in die umliegenden Orte. Da wurden Blöcke gebaut, so wie die Neubaugebiete waren. Dann hat jeder eine Wohnung bekommen, aber an das allererste, an was ich mich erinnern kann, dass war, meine Tante wohnte in Braunichswalde und wenn ich mal dort war, da rollten Tag und Nacht die Züge. Also im Prinzip war das Wahnsinn und natürlich habe ich das damals nicht verstanden. Da hatte man zwar gesagt die Russen, die bauen das Uran ab und das wird dann dahin transportiert. Aber das konnte ich als Kind nicht einordnen. Das habe ich erst so alles so nach und nach mitgekriegt, wie das war. Aber verstanden habe ich das trotzdem nicht. Dann kamen wir wieder mal nach Culmitzsch und da war wenige Meter hinter dem Wohnhaus von meinen Großeltern, da war immer eine riesen Halde. Ich war öfter mal dort, ich hatte dann, da wohnten nicht nur die Großeltern, sondern auch mein Onkel und meine Tante und die hatten drei Kinder. Mit denen habe ich immer gespielt und wir sind da auch die Halde hoch. Also da war nichts abgesperrt, nichts, aber auch gar nichts. Da sind wir die Halde hoch und das sehe ich auch noch heute vor mir. Soweit man gucken konnte, war da ein Tagebau. Da waren so kleine Kipper, also das war ein Kraz, habe ich dann später mal mitgekriegt, wo die Räder alleine zwei Meter hoch waren. Die fuhren da unten in der Grube herum, die waren so wie Spielzeugautos. Also es war absoluter Wahnsinn. Aber ich hatte dann, ich hatte jetzt noch mal meinen Cousin gefragt, der hat gesagt, wir sind da sonntags an der Halde lang spaziert, vom Gärtner bis nach Zwirtschen, das war der Nachbarort, der ist aber geblieben, da sind nur ein paar Häuser weggekommen. Da konnten wir immer hin. Wir haben auch geguckt, wo die das dann vollgelassen haben, weil in Seelingstädt war ein Absetzbecken, nein, die Erzwäsche war da, da haben die das ausgewaschen. Dieses Restwasser, das ist dann in den Tagebau gepumpt worden. Das hat Jahre gedauert, bis der voll war. Dann hieß es, sie müssen nun doch weg. Culmitzsch ist nicht weggekommen, weil sie unter dem Ort Uran abgebaut haben, sondern weil rechts und links, also auf der anderen Seite war auch noch bei Großkundorf oder Trünzig war ein Absetzbecken und das ist deshalb weggekommen, weil (emotional)ich weiß nicht warum ich das immer noch von früher… ,weil sie dann im Prinzip Angst hatten, dass der Damm bricht und dass der ganze Ort in diesem Schlammwasser versinkt. Deshalb ist das weggekommen. Das Komische daran ist, dass da bis zur Wende gar keiner groß darüber gesprochen hat. Das war halt so. Die mussten eben dort weg und hatten dann auch Vorteile, hatten eine sehr schöne Neubauwohnung. Meine Großeltern, die haben in dem Haus, das war ein kleines Haus, und da haben im Prinzip zwei Familien drinnen gewohnt. Also Platz hatten die nicht wirklich. Mein Onkel mit den drei Kindern, der hatte eine Wohnküche, ein Schlafzimmer und oben auf dem Boden eine winzige Kammer. Da passten nur zwei Betten rein. Da können Sie sich vorstellen, was das für ein Fortschritt zu einer Neubauwohnung war, mit zwei Kinderzimmern, aber trotzdem hat er gesagt, am Schluss, da hat er dann nochmal kurz bevor er gestorben ist angefangen zu erzählen. Da hat er gesagt, das war schon schwer, von dort wegzugehen, aber es war alles richtig so. Die Großeltern hätten das ja gar nicht mehr länger machen können. Das war auch viel Arbeit. Also LPG war da schon nicht mehr. Die waren dann schon zu alt dazu, aber da war das Haus und der Garten, der große Garten, und das war ja alles beschwerlich und das hätte dann Niemand mehr machen können. (emotional) Es hätte auch Niemand übernommen. Mein Onkel hat bei der Wismut gearbeitet, ist im Prinzip die Halde hoch, hinter dem Wohnhaus und war auf Arbeit. Der hat so einen großen Kraz gefahren, jahrelang. Die Leute, die haben sich einfach in das Schicksal gefügt. Ich weiß nicht, ob sie sich das vorstellen können, zu DDR-Zeiten, da waren die Gefühle, waren wie eingefroren. Da hat man nicht darüber gesprochen, man durfte ja auch nicht so viel sagen. Das kam erst nach der Wende. (emotional) Oh, das müssen Sie rausschneiden. Das kam erst...

Christine Biedermann

Das kam erst nach der Wende. Also ich denke, die Leute haben erst nach der Wende begriffen, was das bedeutet hat. Machen Sie mal weg, ich muss mich erst mal sammeln.

Rike

Wir können auch kurz eine Pause machen. Also würden Sie sagen, ich brauche ein bisschen, um mich zu fassen, weil ich das sehr gut nachvollziehen kann, weil es was mit Heimat zu tun hat, was mit Familie, deswegen...

Rike

Kein Problem, kein Problem.

Christine Biedermann

Das ist jetzt blöd, ich kann es auch nicht ändern.

Rike

Nein, das ist sehr emotional, wenn man über die eigene Familiengeschichte redet und über die eigenen Erfahrungen, die dann auch noch mit ganz vielen anderen Sachen zusammenhängen. Wir können auch so ein bisschen Strukturarbeit leisten, einfach mal so eine Familienaufstellung in dem Sinne machen, wer bei der Familie alles bei der Wismut war, mit wie vielen Geschwistern sie groß geworden sind, einfach damit wir so ein Bild davon bekommen, wie ihre Familie überhaupt aussah.

Christine Biedermann

Lassen Sie mich mal noch erzählen, wie das dann alles aufgegeben worden ist. Die haben im Prinzip, festgelegt, wer wann raus muss. Ich habe jetzt als noch durch mein Cousin erfahren. Die Wismut hatte auch, ich sag mal, ihre positiven Seiten gehabt, sie hatten eigene Läden, die hatten ein Gesundheitssystem, wo sie zur Kur geschickt wurden. In Berger war das Nachtsanatorium. Da sind die hingeschickt worden, ich weiß nicht, ob die länger geblieben sind oder nur eine Nacht. Also das war ein Bestandteil des Gesundheitssystems. Das Auto haben sie eher gekriegt, Schnaps haben sie gekriegt, was sicher für manche nicht so positiv war, (lacht) aber den gab's. Die hatten durchaus ihre Vorteile, sind sehr gut bezahlt worden, im Gegensatz zur restlichen Bevölkerung. (räuspern) Dann wurde festgelegt, im April 1968 müssen sie Culmitzsch verlassen. Mein Onkel hat aber im April eine Reise nach Moskau gekriegt, als Auszeichnung. Die Leute wurden dann, aus meiner Sicht, wurden die schon alle immer bei Laune gehalten. Der hat also die Reise gekriegt und da ist jemand anderes in der Zeit umgesiedelt worden und sie sind dann im Mai. Da kam ein Umzugsunternehmen und hat alles, was sie mitnehmen wollten, da war ja in dem Haus nicht viel, was sie mitnehmen wollten oder konnten. Da ist auch viel dort geblieben. Was wollten sie in Berga, in der Neubauwohnung mit dem ganzen, Handwerkszeug? Die brauchten keinen Spaten mehr und keine Leiter mehr und gar nichts. Das ist alles dort geblieben. Am nächsten, nein am nächsten Tag kann das nicht gewesen sein, da kam das Umzugsunternehmen und dann kam ein Bus und da sind sie eingestiegen und nach Berga gefahren. Das war es dann. Mein Cousin hat mir noch erzählt, ich habe ihn gefragt, wie schlimm das für ihn war und da hat er gesagt, also er war zehn Jahre wo die dort fort sind, einer von den dreien. Er hat gesagt, für uns war das gar nicht so schlimm. Wir sind noch von April bis Juli, bis zum Schuljahresende, sind wir noch in Culmitzsch zur Schule gegangen. Später, als sie dann in Berga zur Schule gegangen sind, da sind sie mit dem Fahrrad noch nach Culmitzsch gefahren. Dann gab es noch die Möglichkeit, da konnten sich Leute Häuser kaufen, also zum Abriss kaufen. Die haben dann das Baumaterial genommen und haben das, es gab ja in der DDR nicht viel oder nichts,(lacht)` Die haben dann im Prinzip, was sie gebrauchen konnten an Holz und Steinen, haben die halt dann abgebaut und haben es mitgenommen für ihre Zwecke verwendet. Und dann war es soweit, dann ist das alles mit dem Bagger zusammengeschoben worden, das waren ja auch alles einfache Bauernhäuser. Es waren auch sehr schöne dabei. Der Ort war sehr groß, 650 Einwohner und die hatten wahnsinnig viele Geschäfte. Also ich habe eine Aufstellung, 1940 hatten die 36 Händler, Geschäfte, es waren manchmal nur so kleine Kramläden, auch ein paar größere dabei. Und als ich in Culmitzsch war, hatten sie sogar eine Eisdiele. Ich meine, wir hatten in der Stadt auch eine Eisdiele, aber auf dem Dorf, ich weiß nicht, ob es das sehr oft gab.

Rike

Ich würde vielleicht einmal sozusagen das Ganze ein bisschen zusammenziehen bevor ihr eure speziellen Fragen hab. Sie haben gerade so, um 68 beginnt Ihre Erzählung. Wann sind Sie genau geboren?

Christine Biedermann

51.

Rike

51, okay. Das heißt, Sie haben ihre Jugend sozusagen in Culmitzsch auch viel verbracht bei den Großeltern. Wie häufig waren Sie da?

Christine Biedermann

Nee, nicht so häufig. Wir sind vielleicht im Jahr so drei, vier Mal hingefahren. Und wir haben in Greiz gewohnt und da habe ich also mehr Zeit dort verbracht mit Freundinnen als in Culmitzsch.

Rike

Und als sie in Greiz zur Schule gegangen sind, das war ja dann auch die Zeit, wo auch die Wismut natürlich auch unter jungen Mädels viel geworben hat.

Christine Biedermann

Nein, in Greiz nicht.

Rike

In Greiz gar nicht?

Christine Biedermann

Nein, an unserer Schule nicht.

Rike

Okay, also auch da sind sie nicht in Kontakt gekommen?

Christine Biedermann

Nein.

Rike

Stand es trotzdem mal bei Ihnen irgendwie zur Debatte, dass sie zum Wismut gehen?

Christine Biedermann

Nein, nie.

Rike

Okay, können Sie sich erklären warum?

Christine Biedermann

Wir hatten einen ganz anderen Beruf.

Rike

Vielleicht wollen sie einfach mal erzählen, wie sie ihre Jugend erlebt haben, einfach damit wir das besser in Verhältnis setzen können, wie dieses Thema Wismut damit verknüpft ist.

Christine Biedermann

Ja, das war nur der Teil von Großeltern und ich habe Bauzeichnerin gelernt und habe dann in Weimar studiert. Also ich hatte einen ganz anderen Beruf. Ich war dann Architektin, auch nach der Wende selbstständig und der überwiegende Teil meiner Jugend spielte sich nicht in Culmitzsch ab.

Rike

Also war es aber auch, obwohl die Region, natürlich Wismut war einer der größten Arbeitgeber in Ostthüringen, stand das nie bei Ihnen, auch weil sie auch gesagt haben, es gab viele Vergütungen, es war ein sehr sicherer Beruf. Stand nie zur Option?

Christine Biedermann

Nee, gar nicht. Nicht einmal.

Rike

Können Sie sich erklären, warum das so ist? Also einfach, weil Sie nicht in Kontakt mit dem Thema gekommen sind? Oder weil Sie meinten ja, Sie haben ja einen Onkel auch da gehabt, oder?

Christine Biedermann

Nee, ich meine, ja schon, aber, das stand nicht zur Diskussion. Auch mein Bruder war ja dann später bei der Wismut. Ja, ich bin ja dann auch von Greiz weg und bin dann später nach Jena gezogen oder war lange Zeit unterwegs während der Berufsausbildung und während des Studiums. Und ich war dann ja ganz weg und die Großeltern und der Onkel mit der Familie, die haben ja dann in Berga gewohnt. Aber wie gesagt, das hat man zur Kenntnis genommen, dass die bei der Wismut gearbeitet haben, aber da wurde nicht darüber gesprochen. Da ist auch nichts nach außen gedrungen, was die da gearbeitet haben. Ich wusste zwar, dass der Onkel diesen Gras da gefahren hat, aber wenn man jung ist, fragt man da auch nicht danach. Das ist nicht so wie bei ihnen jetzt. Ja, das war eine total andere Zeit.

Rike

Vielleicht genau. Ich weiß nicht, in welche Richtung wir daran anknüpfen wollen. Wir haben ja, den kannst du mir vielleicht mal mit rüber geben, einen Fragebogen. Also diese Fragebogen ist jetzt so aufgestellt, dass wir auch unterschiedliche Fragen zu bestimmten Themenfeldern haben. Also ihr habt ja, ihr könnt ja vielleicht mal euren Schwerpunkt erklären, worüber ihr letzten Endes forscht. Vielleicht, dass wir da nochmal so ein bisschen...

Interviewer (Willi)

Also wir versuchen herauszufinden über die, also Geheimsache Wismut heißt unsere Seminarfacharbeit dann, wenn sie fertig sein sollte und es geht eben darum, dass wir versuchen herauszufinden, wie damals, inwieweit damals die Bevölkerung darüber Bescheid wusste, über die Gefahren, Risiken, die damit in Verbindung waren und ob dann heute, beziehungsweise heute noch genauso viele Leute eigentlich wissen, was die Wismut ist oder überhaupt wissen, was die Wismut ist, wie damals, ob das immer noch so ein präsentes Thema jetzt durch die Buga und die neue Landschaft und das ist, oder ob es halt eher im Hintergrund so steht und jetzt mehr so geschichtlicher, da war mal was, aber jetzt so weiter interessieren.

Christine Biedermann

Das würde ich sagen, also wir sind schon, wir waren schon auf der Buga und haben uns das angeguckt, das war auch alles sehr schön, aber das hatte nichts mit dem zu tun, was ich als, unter Wismut erlebt habe. Und naja, also, ich muss sagen, das, was ich Ihnen jetzt erzählt habe, das habe ich jahrelang eigentlich verdrängt. Das war, mit negativen Sachen geht man halt so um, ich will das jetzt nicht verallgemeinern, aber ja, dass die zwar noch irgendwo da sind, aber dass man da am liebsten nicht daran erinnert werden will. Also es war jetzt nicht so, dass das nur,(…)` Ja, mein Bruder ist dann nach der Wende gestorben, aber relativ zeitig. Aber es war jetzt nicht so, die die ganz große Katastrophe, dass da einige aus der Familie eben krank geworden sind oder das Thema war abgeschlossen und da hat keiner wieder dran gerührt.

Rike

War das denn sonst dann weiterhin auch oder hat es sich mit der Wende zum Thema entwickelt?

Christine Biedermann

Ja, ja.

Rike

Genau, also vielleicht können Sie mal darüber sprechen, wie das auch in der Familie auch thematisiert wurde oder vielleicht auch in Ihrem Bekanntenkreis oder wie hat das gerade auch vielleicht auch die Veränderung von Wohlstand oder von, eben das, was die Wismut ja auch mitgebracht hat. Sie haben ja schon von den positiven Aspekten erzählt.

Christine Biedermann

Da wurde immer mal drüber gesprochen, aber tiefgreifend war das nicht. Ja gut, mein Bruder hat dann in der Zwischenzeit, ich denke so ab 75, hat er bei der Wismut gearbeitet, aber nicht unter Tage als Hauer, sondern als BMSR-Mechaniker, also der hat im Prinzip die Messungen dann gemacht Untertage, aber so ganz genau, was der da gemacht hat, das durfte der uns auch nicht erzählen.,(zuckt mit Schultern)` Ich kann mich nur erinnern, als das mit Tschernobyl war, dass der dann doch mal einen Geigerzähler mit nach Hause gebracht hat und im Garten gemessen hat, wie hoch die Radioaktivität ist, aber sie war zum Glück nicht sehr hoch. Es wurde ja damals gesagt, diese radioaktive Wolke hat einen großen Bogen um uns gemacht, was niemand geglaubt hat. Wir haben damals drüber gelacht, haben gesagt, das kann es ja gar nicht geben. Und es war aber wahrscheinlich doch so, dass wir nicht viel abgekriegt haben.

Rike

Hatten Sie das Gefühl, dass es in der Region mehr zum Thema geworden ist, als Tschernobyl passiert ist? Dass es mehr über Gefährdung durch Strahlung ging?

Christine Biedermann

,(schüttelt Kopf)`Nein.

Rike

Also weder in der Familie noch in der Schule?

Christine Biedermann

Nein, das kam erst im Laufe der Zeit, eher durch die Nachrichten. Anfangs war das ja bei der Wismut.

Rike

Kurze Pause, da kommen jetzt Gäste drüber. Ich stelle mal kurz die Schallschutzwand auf.,(…)Eigentlich waren wir alleine, jetzt sind wir das nicht mehr. ,(..)

Christine Biedermann

Was wollte Sie noch mal wissen?

Rike

Genau, wie ihr Gefühl war, wie sich das Reden über das Thema Strahlung oder auch Gefährdungen durch Uranabbau oder auch diese ganze Situation Kalter Krieg, ob sich das ein bisschen ausgewirkt hat, auch wie über dieses Thema Wismut gesprochen wurde. Haben Sie da Erinnerungen dran, ob sich da...

Christine Biedermann

Wie ich schon gesagt habe, da hat niemand groß drüber gesprochen.

Interviewer (Willi)

Hätten sie sich denn gewünscht, dass mehr drüber gesprochen wird?

Christine Biedermann

,(schüttelt Kopf)` Nein.

Christine Biedermann

Nein. Wie gesagt, das war eine negative Erfahrung, die Großeltern mussten weg und alles aufgeben und da hat man einfach nicht drüber gesprochen. Mein Bruder durfte auch nichts sagen. Und nach der Wende.,(…)` Also ich muss sagen, nach der Wende dann, ja, da haben einige dann erst mal oder oder auch wir begriffen, was was da passiert ist. Da gab's im Greizer Heimatboten gab's so eine schöne Geschichte von einer Frau, die ist irgendwann vor 50 Jahren im Westen gelandet und kam dann im Alter zurück und hat Culmitzsch gesucht und hat es nicht gefunden und ja das hat mich sehr berührt, da wusste ich dann was ist da passiert.

Interviewer (Jonathan)

Haben sie sich denn persönlich noch mal intensiver damit auseinandergesetzt nach der Wende?

Christine Biedermann

Nein, dadurch dass mein Bruder dann gestorben war der ist 99 gestorben im Alter von 58 Jahren, ja der hat gerade so, der ist dann arbeitslos geworden, also die Wismut hatte ja ziemlich viele Arbeitskräfte und die wurden dann so schrittweise abgebaut und das… Der hatte dann, also der hat durchaus eine sehr gute Abfindung gekriegt und also war arbeitslos, dann die Abfindung und dann war das sicher Vorruhestand und naja das war wieder das gleiche Problem das hat man dann verdrängt das wollte man nicht, da wollte man nach Möglichkeit nicht daran erinnert werden.

Interviewer (Willi)

Sie haben ja vorhin erzählt dass sie mit ihren Cousins, da auf die Halden hochgeklettert sind. Ich nehme an, als Kind ist man sich der Gefahr vielleicht nicht so bewusst, dann wenn da jetzt was passiert oder was haben dann ihre Großeltern oder irgendwas dann was gesagt, dass sie das nicht machen sollten oder dass da irgendwas war?

Christine Biedermann

Da hat niemand was gesagt. Die wussten das vielleicht auch gar nicht. Wir haben da draußen gespielt und da war eine große Halde und da sind wir halt mal hochgeklettert und dann haben da mal geguckt, was da oben passiert. Da hat niemand, also ich kann mich nicht erinnern, dass jemand gesagt hat macht das nicht das ist gefährlich oder irgendwas.

Interviewer (Jonathan)

Was wussten sie denn persönlich zu DDR-Zeiten über die Wismut? Also was war es bekannt, dass da Strahlung im Raum ist, so die irgendwie gefährlich ist oder der Zweck des Uranabbaus?

Christine Biedermann

das kann ich ihnen nicht sagen. Also das (…)

Rike

Also sowas wie Uran für den Frieden oder solche war das (…) genau weil dort ganz viel Zeitzeugen bei der Wismut waren, die dort gearbeitet haben, erzählen uns dann immer, dass dieses ja, wir bauen Uran ab für den Frieden, für das atomare Gleichgewicht.

Christine Biedermann

Das kann durchaus sein, dass das erzählt wurde, aber das ist nicht in mein Bewusstsein gedrungen. ,(lacht)´

Rike

Spannend.

Interviewer (Willi)

Sie haben ja auch jetzt von der BUGA erzählt. Und es gibt ja noch viele andere Vereine, die jetzt immer noch den Bergbau Traditionsverein und solche Sachen. Was ist denn Ihre Meinung zu diesen Vereinen? Sind sie sag ich mal froh, dass es sowas noch gibt? Dass die heutige Generation daran erinnert werden?

Christine Biedermann

Ja, klar. Das ist ganz wichtig. Wir schreiben auch selber die Ortschronik von unserem Ort, also wir sind viel in der Geschichte unterwegs, das ist spannend und klar finde ich, das finde ich ganz wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerät und das dann noch daran erinnert wird. Und ich habe es halt erlebt, dass wenn ich irgendwo hinkam, dass von der Wismut, von den negativen Seiten, dass da nie die Rede war. Aber ich muss sagen, ich habe auch den Kontakt zu den Vereinen nicht gesucht. Ja, ich habe es halt nicht gemacht ,(seufzt)´. Es waren andere Sachen, die wichtiger waren und klar ist sowas wichtig, aber eben wie auf der BUGA habe ich das nicht. Ich weiß es nicht, ob wir es übersehen haben. Da war nichts von von von Orten, die verschwunden sind. Ich glaube, das ist erst später, später aufgearbeitet worden. Und und dann jetzt letztes Jahr waren wir in Ronneburg, da waren wir in dem Heimatmuseum, wo wir ein bisschen Zeit hatten und da war auch nur von blühenden Landschaften geredet, von weiter nichts. Und das ist ja, also ich habe noch mal die Zeitungsausschnitte, ich habe ja dann immer einiges aufgehoben. Die habe ich noch mal durchgelesen. Also ich denke, dass man bei der Wismut unterscheiden muss, dass was vorher zu DDR-Zeiten war und nach der Wende war das ja ein ganz anderes Unternehmen. Die haben ja dann schon Umweltschutz und auch Schutz für die Bevölkerung betrieben, die hier diese Abseitsbecken, die sind ja dann renaturiert worden beziehungsweise abgedeckt worden mit vielen Folien und Aufbauten. Und also klar, hat man dann überall solche Sachen halt dargestellt aber aber dass das negative hat man da bisschen bisschen unterschlagen oder ich weiß es nicht vielleicht haben es auch vereine aufgearbeitet.

Interviewer (Willi)

Also hätten sie sich gewünscht dass gerade diese Ortschaften die verschwunden sind oder so, dass das mehr auf der BUGA auch zur rede kommt, dass darüber gesprochen wird?

Christine Biedermann

Ja, dass man wenigstens das darstellt. Hier ist das und das verschwunden, aus den und den Gründen.

Interviewer (Jonathan)

Haben Sie zu DDR-Zeiten irgendwas mitbekommen? Es gibt ja die Pechblende, die 1988 veröffentlicht wurde. Das ist ein Schreiben oder letztendlich eine Forschungsarbeit über die Umweltprobleme, die durch die Bergbauarbeit der Wismut entstehen. Haben Sie da etwas mitbekommen oder von anderen Sachen.

Christine Biedermann

Also ich habe das, also das Wort sagt mir was, aber ist das zu DDR-Zeiten rausgekommen?

Interviewer (Jonathan)

1.

Christine Biedermann

Und wer hat das geschrieben?

Interviewer (Jonathan)

Michael Beleites.

Christine Biedermann

Das haben wir sogar. Das hier, das mit der Pechblende, (…) Michael Beleites, das sagt mir was, das könnten wir sogar haben.

Rike

Das ist einer der ersten gewesen, der sich auch aus einem umweltaktivistischen Kreis, auch aus einem kirchlichen Umweltaktivistischen im Kreis betätigt hat, um eben auch aufzuzeigen, dass es eben nicht nur der teuerste Arbeitgeber der Region ist, sondern eben auch ganz ganz viele Schäden, die auch wahrscheinlich schwer wieder zu beheben sind, was ja natürlich die Sanierung jetzt noch zeigt. Es ist relativ schwierig, Daten herauszufinden, wie weit es verbreitet war. Auch schon zu der Zeit.

Christine Biedermann

Also wenn dann habe ich das nicht zu DDR-Zeiten mitgekriegt, dann erst danach und da ist es dann in der DDR schienen? Durfte das erscheinen?

Interviewer (Jonathan)

Nein.

Christine Biedermann

,(lacht)´Also unter der Hand?

Interviewer (Willi)

Genau, unter der Hand.

Christine Biedermann

Nein, zu DDR-Zeiten habe ich davon nichts gehört, erst dann später. Aber ich wollte mal noch ein was sagen, also als die Wismut angefangen hat, da haben die ja unter mittelalterlichen Bedingungen gearbeitet. Also da sind die Leute wirklich mit dem Uran in Berührung gekommen. Also mein Onkel, der hat erzählt, der war Zimmermann und hat dann bei der Wismut angefangen, weil er als einfach 50 oder 55 kein Geld verdient hat. Und die haben als erstes Holzkisten zusammengezimmert und da kam das Uran rein. Also er musste das nicht da rein tun, aber das wurde dann im Prinzip unter Tage die Kisten unter Tage geschafft und da haben die ihr Uran rein. Also die sind unmittelbar damit in Berührung gekommen. Das wird dann später nicht mehr so gewesen sein.

Interviewer (Willi)

Sie hatten ja, also ich denke mal im Osten wird schon das Wissen größer sein als im Westen. Was denken Sie denn dazu? Hat jetzt solche Sachen wie die Bundesgartenschau dadurch, dass die nun genau in diesem Teil war, dazu beigetragen, dass vielleicht sich auch im Westen, also ehemaligen Westen, welche dafür interessieren oder sagen, jetzt vom geschichtlichen her, da ist jetzt schön, dass sowas, solche Veranstaltungen gibt, die über solche Sachen informieren. Also sind sie der Meinung, dass das was dazu beigetragen hat, die BUGA und das Ganze, dass das Wissen vielleicht auch auf die, sag ich mal, andere Seite gebracht wird?

Christine Biedermann

Nein, denke ich nicht. Dafür war zu wenig von der Wismut zu erfahren oder ich habe es nicht mit gekriegt, keine Ahnung, aber dafür war die BUGA nicht gedacht, dass man solche Probleme anschneidet. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass die Rede davon war, dass dort in diesem Gessental, dass da Orte verschwunden sind. Also das glaube ich nicht.

Rike

Ja, also gerade wenn man sich die Ausstellungen. Es gibt dieses Objekt 90 auf der neuen Landschaft, die eben, wie Sie auch gesagt haben, die historischen und auch die Sanierungen auch darstellen. Es ist ein kleiner Teil einer Ausstellung, aber eben auch nur ein kleiner Teil. Okay, gibt es noch Sachen, die euch noch in die Richtung, oder vielleicht können Sie das vielleicht noch mal in so ein paar Sätzen zusammenfassen. Was würden Sie denn wollen, was die Inhalte sind, die vermittelt werden, wenn man über das Wirtschaftssystem der DDR und insbesondere am Beispiel Wismut, weil Sie sind ja selbst lokalhistorisch tätig? Was wäre Ihnen wichtig, was sollte man weitergeben über die Wismut?

Christine Biedermann

Also über die Wismut im Prinzip weiß ich ja so gut wie nichts. Ich habe hier von den Unterlagen von meinem Bruder, da habe ich im Prinzip einige Broschüren. Das, was ich da weiß, habe ich da rausgelesen. Aber das sind Sachen, die halt nach der Wende passiert sind. Vorher hat ja niemand über die Wismut was rausgebracht. Was das für ein Betrieb ist, wie viele da gearbeitet haben, das steht ansatzweise in den neueren Heften drin. Ja, also mir wäre es rein von der von meiner, von meinem Erleben her wichtig, dass es meinetwegen eine Ausstellung gibt oder eine Broschüre gibt, welche Orte weggekommen sind und dann eine kurze Darstellung, was in den Orten halt für eine Geschichte war. Also Culmiztsch hatte immerhin neben diesen vielen Geschäften, auch wenn es ein paar kleine Krämerläden dabei waren, ein Wasserschloss und das Rittergut rundherum und dann die Kirche und das Pfarrhaus und die Schule. Und das waren ja kulturhistorische Denkmäler, die dann weggerissen wurden. Also die sollten ursprünglich, wollte man die stehen lassen, aber das ging nicht. (…) Naja, da war dann. In der Kirche sind sie mit Motorrädern rumgefahren. Also die haben das halt, ja, das konnte man halt nicht halten, das wurde dann weggerissen, aber die Kirche und das Wasserschloss standen noch ein paar Jahre. Und von der Kirche, also das Schloss, da war nicht, innen war dann nichts mehr kulturhistorisches, aber von der Kirche, das Inventar, das hat man alles aufgeteilt. Hier in Gera, in der Trinitatiskirche, steht zum Beispiel das alte Taufbecken. Und so ist das überall aufgeteilt worden, auf Kirchen, die was gebraucht haben. Die Bänke sind mit Frau Reuth, das ist das, was mir jetzt gerade einfällt. ,(lacht)´

Rike

Also es ist vor allem nicht nur, dass sie da biografisch etwas mit ihren Jugenderinnerungen verbinden, sondern auch einfach das Bewusstsein dafür, dass da sowas wie kulturelles Erbe einhergeht.

Christine Biedermann

Naja klar, dass da Orte standen, die dafür geopfert worden, aber vielleicht ist das auch gar nicht sowas Besonderes. Es sind ja, die sieben Orte, aber es sind ja bundesweit Ortschaften weggerissen. Ich weiß gar nicht, 150 oder es ist ja jetzt noch weggerissen worden. Also vielleicht ist das auch gar nicht besonders. Vielleicht interessiert mich auch nicht das nur aus meiner Biografie und aus meinem Lebenslauf her ,(lacht)´. Aber es ist ja auch schon viel erschienen. Also es gibt einige Hefte über Culmitzsch. Es gibt hier, das hatte ich Ihnen, glaube ich erzählt, den Thomas Schlenk, der so ein wahnsinniges Archiv hat über den Ort und dann der andere, Rainer Golsch, der hat bestimmt sechs Videos gedreht. Also von teilweise, also der konnte ja dann Culmitzsch nicht mehr aufnehmen. Das war weg, aber der hat dann die Bilder eingespielt und hat dann halt die Leute zu Wort kommen lassen. Also da ist schon ein bisschen was und ich denke auch in, ich weiß jetzt gar nicht mehr, Mirschau, ist glaube auch die Kirche weggekommen. Also da existiert schon ein Fundus, aber der müsste dann halt mal zusammengeführt werden.

Rike

Das kann ja so eine Art Mission zumindest sein, dass man zumindest das als Problem oder als Fragestellung einmal aufwirft, dass das ist, wo kulturelle Arbeit geleistet werden kann, die sich dafür interessiert.

Christine Biedermann

Ja, oder dann, es sind ja auch hunderte Leute gestorben. Nicht nur durch die Radioaktivität. Es gab ja auch Unglücke im Bergwerk. Also es war ja nicht nur der Tagebau, es waren ja auch Schächten da, wo sie eingefahren sind und wo da Unglücke waren und ziemlich viele Leute umgekommen sind.

Rike

War das etwas, was Sie nach der Wende erst auch mitbekommen haben oder war das auch schon präsent? Wurde das diskutiert, so Arbeitsunglück?

Christine Biedermann

Nein, das hat man vor der Wende nicht diskutiert. Das durfte gar niemand erzählen. Also mein Bruder hat über die Wismut nichts erzählt.

Interviewer (Jonathan)

Die Umweltschäden waren jetzt auch nicht präsent, oder?

Christine Biedermann

Naja, die waren schon präsent. Als Culmitzsch, glaube ich, nicht mehr stand, da stand ein einziges Haus noch. Das stand in Nähe von diesem Absetzbecken Großkundorf. Der Damm, der war mal undicht geworden, da sickerte die Brühe schon hinten rein, da ist das Haus dann noch weggerissen worden. Also, ich kann Ihnen das gar nicht erklären. Die Leute wussten das schon, die dort gewohnt haben, aber wie gefährlich das war und dass sie da groß drüber reden konnten, das gab es nicht. Wenn da jemand den Mund aufgemacht hätte, dann wäre das Stasi da gewesen. Also, das ist mein Eindruck.

Interviewer (Willi)

Also, denken Sie, viele haben sich da nicht getraut, was zu sagen? Die wussten vielleicht was über verschiedene Sachen und haben sich dann einfach nicht getraut, dadurch, dass sie dann gegebenenfalls mit der Stasi in Berührung gekommen wären?

Christine Biedermann

Naja, das war wie mit allen anderen Sachen auch. Man musste immer vorsichtig sein, was man sagt und zu wem man was sagt.

Interviewer (Willi)

Haben Sie denn mal mitbekommen, dass irgendjemand mit der Stasi dann in Kontakt gekommen ist im Ort?

Christine Biedermann

Mein Bruder. Mein Bruder ist massiv unter Druck gesetzt worden.

Interviewer (Jonathan)

Warum?

Christine Biedermann

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe die Unterlagen eingefordert, aber das, was ich wissen wollte, das war nicht so ganz drin.

Rike

Aber Sie selber, haben Sie das auch mitbekommen, das Unterdrucksetzen? Oder wie sah das aus?

Christine Biedermann

Das kann ich Ihnen nicht erzählen. Da gab es in Gera, das möchte ich nicht drin haben, in Gera war ein Mädchen verschwunden und das sollte umgebracht worden sein und es war wahrscheinlich nur fingiert, dass es nach der Wende rausgekommen ist. Da wurde mein Bruder nach Gera bestellt und verhört. Dann war die Polizei bei uns zu Hause, haben den ganzen Garten um und num gedreht. Und irgendwann soll mein Bruder im Wald jemand gefunden haben, der hat am Kopf eine Platzwunde gehabt. Und dann erschien im Krankenhaus wieder die Polizei und Stasi, oder nur die Polizei. Und das wollte ich gerne wissen, das habe ich angefordert, aber an der Stelle, also ich habe einiges erfahren, aber an der Stelle weist das ab. Da muss ich mich nochmal darum kümmern, aber ich musste das erstmal verkraften, was da alles drinne steht. Auch das habe ich schon mitgekriegt, ja, und dann sollte er ständig in der SED eintreten, was er dann zum Schluss auch gemacht hat, damit er seine Ruhe hatte.

Rike

Sind Sie selber politisch quasi groß geworden? Hat Politik bei Ihnen in der Familie eine Rolle gespielt, generell?

Christine Biedermann

Ja, Gegenstaat, klar. Wir waren mehr nach dem Westen orientiert. Wir hatten auch Verwandte im Westen.

Rike

war gerade auch mit dem Kontakt in den Westen. Also, können Sie sich vielleicht an irgendwas erinnern, das Thema Wismut dort irgendwie... Also, haben Sie sich dafür interessiert? Weil es gab ja schon eine Presseberichterstattung auch über die Wismut im Westen.

Christine Biedermann

Nee, ich hatte nur eine Tante drüben, die keine Familie hatte. Die hat da bei jemandem gearbeitet. Nee, die hat sich überhaupt nicht dafür interessiert. Aber ich hatte einen der Cousins, der, was der für eine Tätigkeit hatte, der war bei der Feuerwehr, bei der Berufsfeuerwehr, aber der durfte zu meiner Tante keinen Kontakt haben. Also da gab es schon ein bisschen Einschränkungen. Aber was der genau gemacht hat und warum der das nicht durfte, das kann ich Ihnen nicht sagen, da hat nicht jemand drüber gesprochen.

Rike

Also würden Sie sagen, dass auch diese ganze Geheimhaltung beziehungsweise auch ihre eigenen Erfahrungen mit staatlicher Repression da auch ganz ganz viel mit ja mit ihrer Familienbiografie auch gemacht hat.

Interviewer (Jonathan)

Glauben Sie, dass ein offener Diskurs über die Probleme die Wismuth im Positiven verändert hätte, sodass man dann sich mal dazu durchgerungen hätte offizielle Statistiken zu Strahlung oder sowas zu veröffentlichen? In der DDR?

Christine Biedermann

Ne, das ganze System war... Naja, sicher hätte man das machen können, aber das war von Staatsseite nicht gewollt.

Interviewer (Willi)

Hätten Sie dann gedacht, dass ich das Bild dann vielleicht dadurch geändert hätte? Also das hätte dann vielleicht nach der Wende noch irgendwie in einer Form hätte weiter bestehen können, wenn jetzt dadurch, dass irgendwie das bekannt geworden wäre, naja, wenn jetzt da irgendwelche Berichte veröffentlicht wären oder man hätte offener darüber reden können, dass dann vielleicht auch die Chance gewesen wäre, dass das nicht unbedingt so unter Verschluss gehalten wäre, sondern dass das ein, sag ich mal, relativ beliebter Arbeitsplatz gewesen wäre, wenn da öffentliche Berichte oder hätten sie, würden sie eher sagen, dass das dann eher noch unbeliebter geworden wäre, jetzt, dass da weniger Leute hingegangen wären, um dort zu arbeiten?

Christine Biedermann

Das waren ja keine unbeliebten Arbeitsplätze. Die Leute haben ja gut verdient. Also ich würde mal behaupten, die haben, ich weiß es jetzt nicht, ob ich zu viel sage, aber das Doppelte haben die bestimmt verdient von dem, was andere verdient haben. Und das war ja dann sicher auch ein bestimmter Lebensstandard. Also das war nicht so, dass die Leute da nicht arbeiten wollten. Das waren schon begehrte Arbeitsplätze.

Interviewer (Willi)

Hätten Sie gedacht, wenn dann solche Berichte oder irgendwas über Arbeitsunfälle bekannt geworden, wäre, dass das dann weniger geworden wäre oder aufgrund von diesem vom Gehalt und so trotzdem gleich geblieben wäre dann.

Christine Biedermann

Wenn da wirklich Unfälle waren unter Tage. Naja unter den Arbeitskollegen, hat sich das ja auch rumgesprochen. Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob dann welche gesagt haben, nein, da gehe ich lieber nicht hin. Das kann ich Ihnen nicht sagen. So genau kenne ich das nicht.

Rike

Okay, also was so der Fragebogen ist, ist eigentlich, glaube ich, ganz gut. Ich würde vielleicht nochmal so ein bisschen was für, wir haben noch eine Gruppe, die sich ein bisschen über das Thema Thema Luxus und Wohlstand in der DDR oder auch noch mal sozusagen in der Nachwendezeit. Vielleicht auch gerade so im Hinblick auf die Region, in der Sie groß geworden sind. Haben Sie sich in der DDR materiell sicher oder glücklich gefühlt als Kind?

Christine Biedermann

Ja, wir hatten doch alles, was wir gebraucht haben als Kind. Ja, sicher.

Rike

Und hat da bei Ihnen, also hat mit der Wende so die kritische Reflexion dessen erst angefangen oder auch schon vorher?

Christine Biedermann

Welche kritische?

Rike

Also generell auch mit den Erfahrungen sozusagen mit der Wismut, aber generell auch durch diese Erfahrung mit der Stasi-Repression, also war es das sozusagen wert oder gab es einen Erschütterungsmoment, dass man gesagt hat, ja eigentlich hatten wir alles, eigentlich war es in Ordnung, aber dann kommt das große Aber. Wann war das für Sie?

Christine Biedermann

Ich denke, das war nicht nach der Wende die große Erschütterung. Das war schon, wie gesagt, unsere Familie. Jetzt, mal abgesehen von Familienmitgliedern, die halt anders getickt haben. Nee, ich weiß auch nicht. Wir waren vorher schon kritisch und hinterher waren wir auch kritisch. Also diesen Zeitpunkt nach der Wende, wo wir aus allen Wolken gefallen sind, das gab's nicht. Das war schon immer da, man hat es nur nicht gesagt.

Rike

Dieses Thema Freizeit, also wir haben eigentlich noch so, ich kann ja erstmal transparent machen, was wir sonst zur Zeit so fragen. Wir fragen häufig natürlich auch die Leute, die mehr Bezug zur Wimut haben. Vielleicht wissen sie es über ihren Bruder. Die hatten eine Reise nach Moskau, war es bei ihrem Onkel.

Christine Biedermann

Ja

Rike

Wir fragen häufig nach dem Ferienbetrieb, den die Wismut auch hatte. Das hat natürlich auch ganz viel mit Lebensqualität und Einschätzung von persönlichem Wohlstand zu tun. Wir fragen natürlich auch viel zu Wohn- und Alltagsleben. wie Sie auch gesagt haben, der Wohnraum und die Zuteilung waren natürlich gerade nicht nur für die Leute, die ihre Wohnräume in diesen verlorenen Dörfern verlassen mussten, sondern natürlich auch die Arbeiter und Arbeiterinnen selber waren natürlich extrem luxuriös runtergebracht. Und das ist eigentlich das, wo wir letzten Endes auch quasi mit hinwollen, dieses ganze Feld aufzumachen zwischen sehr vielen Vorteilen, sehr vielen relativ hohen Lebenserleichterungen, hohen Lebensstandards auch diesen anderen Schicksalen wie das, was sie uns geschildert haben, dass sie einfach noch nah dran waren, wo Leute ihre ganze Identität noch mal neu umkrempeln mussten, weil sie einfach woanders anfangen mussten. Manche denen das stärker war, manche sagen, oh ich freue mich, dass ich jetzt eine Neubauwohnung habe, wo ich mich um nichts kümmern muss.

Christine Biedermann

Ja, das war ja dann in den Neubaublocks, waren ja dann, waren ja alles Culmitzscher und die sich schon gekannt haben und die haben es natürlich dann nach Feierabend auch hinten auf der Wiese getroffen und haben erzählt. Also da war das dann schon ein bisschen angenehm. Das war nicht so anonym wie in den Neubaugebieten, wie zum Beispiel in Lopeda oder ich weiß nicht, hier in Lusan, in Gera. Das waren da, da standen drei Blöcke und dann aber weiter hinten in Berga waren noch andere. Aber die haben halt ihr Umfeld gekannt, mit denen sie erzählt haben. Da wusste jeder von jeden nach wie vor alles.

Rike

Das heißt, diese Gemeinschaften quasi aus dem Glaub haben sich auch noch weiter in den...

Christine Biedermann

Und so auch in Politz, überall war das so, dass die ja dann alle in einem Aufgang gewohnt haben.

Rike

Spannend.

Christine Biedermann

Ja, und Urlaub war natürlich ja dann in der Verwandtschaft, Da waren schon einige auch dann jedes Jahr im Urlaub. Also die begehrten Ostseeplätze, die wurden schon der Wismut, die konnte schon der Wismut nutzen.