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lotharhofmann

GRUPPE

Also uns würde zunächst mal interessieren, wie Sie überhaupt zur Wismut gekommen sind. Also wo Sie aufgewachsen sind, wie Ihre Schulzeit ablief und genau, wie Sie dann in der Wismut aufgenommen worden sind. #0:13#

Lothar Hofmann

Also ich bin am 12. September 1943 in Merseburg geboren und bin dort auch aufgewachsen, zur Schule gegangen, dort auch mein Abitur gemacht und hatte mich dann an der Universität in Jena um ein Medizinstudium beworben, wurde ich auch angenommen und zur damaligen Zeit war es noch so, dass man als junger Mann von der Armee erstmal (…) vom Wehrdienst freigestellt wurde. Wir mussten aber zuvor ein pflegepraktisches Jahr machen. Wir waren also vorimmatrikuliert für das Studium. Ich war dann von 1962 bis 1963 an der Universitätsnervenklinik als Hilfspfleger tätig und habe dann 1963 mein Medizinstudium in Jena aufgenommen und das dann 1969 mit Examen abgeschlossen. In das Bergarbeiterkrankenhaus, also in das Gesundheitswesen Wismut, hier in Gera, bin ich eigentlich per Zufall geraten. Eigentlich wollte ich Pathologe werden. Das war mein (…) spezieller Wunsch schon während des Studiums. Das hängt immer von Lehrern auch ab. Es gab da einen Hochschullehrer in Jena, der war brillant und der hatte mich für das Fach begeistert. Ja, das klappte dann aber nicht, weil man, ich war zu dieser Zeit damals schon verheiratet, man in Jena zehn Jahre auf eine Wohnung hätte warten müssen. Zehn Jahre, bis man eine Wohnung bekam. (…)Während des sechsten Studienjahres hatten wir dann die vier großen medizinischen, klinischen Fächer. Das war Innere Medizin, Chirurgie, Frauenheilkunde, Geburtsmedizin und die Pädiatrie, also Kinderheilkunde. Das haben wir dann schon in der Praxis gemacht, in Krankenhäusern. Die Chirurgie habe ich dann im Bergarbeiterkrankenhaus gemacht, noch als Student. Und wir wurden dann von der Chirurgie aus mal 14 Tage in die Urologie reingesteckt, damit wir da mal reinschnuppern können und da hat mich der damalige Chef, das wurde dann später mein erster Chef, gefragt, was ich denn mal machen wollte. Und da ich die Pathologie schon (…) beiseitegelegt hatte, habe ich gesagt, am liebsten wäre mir ein Fach, wo man operativ und konservativ arbeiten kann und das war die Frauenheilkunde, für mich vordergründig erst mal Geburtsmedizin, das war ja dann auch noch was Schönes eigentlich. Und da sagte er zu mir, da hättest du doch ,der hat immer gleich alle geduzt, auch Urologie machen können. Da hatte er natürlich recht, Urologie ist ein Fach, wo man operativ und konservativ arbeitet. Und es gingen dann vier Wochen und dann hat er mal meine Frau angerufen, die war damals schon medizinisch-technische Assistentin im Krankenhaus und hat die zu sich beordert. Dachte erst, sie kriegt eine verbraten, weil sie Nachtdienst hatte, dass sie da irgendwas falsch gemacht hatte und da hat er ihr gesagt, er hätte eine Stelle, ob ich denn nicht und so bin ich in das Bergerwetter geraten, reiner Zufall und so bin ich auch in die Urologie reingekommen, wobei mir das die 14 Tage eigentlich schon einen Einblick gegeben hatten, dass das ein ganz interessantes Fach ist. Das ist zu meinem Werdegang jetzt erst mal, wie ich zur Wismut gekommen bin, ging ja dann noch weiter. #4:09#

GRUPPE

Wir sind jetzt direkt darauf eingegangen, wie Sie überhaupt zur Wismut gegangen sind, aber bevor wir überhaupt damit anfangen, würde ich noch gerne wissen, wie Ihr Leben als Kind war, also was Ihre Eltern zum Beispiel als beruflich gemacht haben. #4:25#

Lothar Hofmann

Also ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Mein Vater war in chemischen Werken Leuna tätig. Leuna hatte ja damals 30.000 Arbeiter. Sie kennen ja das sicher auch heute noch, das ist ein Chemie-Schwerpunkt, Buna, 20.000 Arbeiter, Buna-Schkopau damals. Im Übrigen habe ich das den 17. Juni als Zehnjährigen erlebt, wo die russischen Panzer noch kamen. Da waren in Merseburg 100.000 Arbeiter. Die sind nämlich alle von den Werken nach Merseburg zur Großdemonstration gelaufen. Also das hat mich so geprägt, das vergesse ich nie wieder. Ja, und das war dann der übliche Werdegang, acht Jahre Schule, Grundschule, und meine Eltern wussten damals, waren sich sehr unsicher, was ich, ich hatte einen Zwillingsbruder, muss ich dazu sagen, ich bin also mit einem Zwillingsbruder aufgewachsen, und ja, da ging es darum, der normale Werdegang in einer Arbeiterfamilie ist, dass man einen Beruf ernennt. Und dann sind aber sowohl die Klassenlehrerinnen gekommen, als auch ein Schulrat damals, der meine Eltern so bearbeitet hat, dass sie uns zur Oberschule schicken. Und so bin ich überhaupt auf die Oberschule gekommen, das war dann auch, um Abitur zu machen. Und wie gesagt, von der Oberschule dann an die Universität. #6:10#

INTERVIEWER

Vielleicht geh ich da mal kurz rein. Weshalb Medizin? #6:14#

Lothar Hofmann

Der Wunsch war schon sehr zeitig bei mir da. Ich glaube so mit 14, 15 Jahren. Ja, was man so als junger Mensch hat, ich will es jetzt mal so, das ist nicht abwertend, aber mal so umschreitend, dieses Helfer-Syndrom, Menschen, anderen Menschen zu helfen, für andere Menschen da zu sein und sich einzusetzen und da ist natürlich der Arztberuf ein ganz besonderer. Mir war damals schon klar, als ganz junger Mensch, dass das in dem Sinne eigentlich gar kein Beruf ist das ist eine Berufung und so habe ich es auch mein leben lang gehandhabt. #6:59#

GRUPPE

Sie haben mir gesagt, dass Sie zufälligerweise angefangen haben bei der Wismut zu arbeiten, wussten Sie denn davor was über Wismut? #7:17#

Lothar Hofmann

Ja, natürlich. Ich sagte ja schon, ich war verheiratet, meine Frau stammt aus Gera und ich wohnte dann ja, wir wohnten zuerst noch bei den Schwiegereltern hier in Gera und da war die Wismut natürlich ein Begriff. Gera war ja mit dem Bergbaugebiet hier um Ronneburg eines der Zentren des Uran-Erzbergbaus, wenn Sie ja nun kennengelernt haben in Ihren Recherchen. Und hat die Region ja nicht nur landschaftlich, sondern eben auch sozial und in vieler, vieler Weise geprägt. Eben unter anderem dann auch mit dem Bau des Bergarbeiterkrankenhauses hier in Gera, was ja 1962 erbaut worden ist, das werden Sie sicher wissen, ich weiß es nicht. (…) Da wusste ich schon, dass das eben ein besonderes Gesundheitswesen ist. Was mir damals nicht so bewusst war, ist, dass das eigentlich auch für Bergleute was Normales war, denn seit dem Mittelalter sind Bergleute, zumindest bei uns, immer privilegiert gewesen. Zum Beispiel die Versicherung, die Knappschaft, ist die einzige Versicherung, die hat sich schon im Mittelalter gegründet, im Mittelalter gegründet für Bergleute, die sowohl die Krankenversicherung als auch die Rentenversicherung unter einem Dach hat. Es gibt keine andere Versicherung, die sowas hatte. Und hier ein spezielles Gesundheitswesen für die Bergleute aufzubauen, das war aus medizinisches Sicht auch absolut notwendig. Und das verdienten diese Leute auch. Wir haben ja dann auch kennengelernt, wie die unter Tage arbeiten mussten und so weiter. Und das war auf der einen Seite zwar ein Privileg, was von vielen, vielen her, das haben wir oft erfahren müssen, beneidet wurde und teilweise auch abwertend bewertet wurde. Es gibt ja dann auch immer Neider, aber dass das im Grunde genommen, was völlig normales war, ist mir dann auch später erst klar geworden, nach der Wende eigentlich, als ich mitbekam, dass es drüben ein Knappschaftssystem gab und immer noch gibt. #9:48#

GRUPPE

Sie haben gerade schon das Privileg der Bergarbeiter angesprochen. Als Sie dann im Bergarbeiterkrankenhaus gearbeitet haben, haben Sie auch Privilegien gespürt, also zum Beispiel eine bessere Bezahlung?

Lothar Hofmann

Also zu dieser Zeit nicht mehr, das muss ich mal klar sagen. Ich sage nur mal ein Beispiel. Natürlich haben die Bergleute, die bei der Wismut beschäftigt waren, mehr Geld verdient. Bei den Bergleuten gab es überhaupt keine Frage. Wenn sie einmal gesehen haben, wie die unter Tag gearbeitet haben, dann war das, ja, hätten wir mehr bekommen können, würde ich mal nur so sagen. (…) Es gab in der DDR dann ja auch immer Phasen, wo es Lohnerhöhungen gab. Generell, für die gesamte Wirtschaft. Und da gab es immer dann für bestimmte Gehaltsgruppen Von-/Bis-spannen der Erhöhung. Ja, eine Minimalerhöhung oder die konnte auch höher sein. Das war vorgegeben, staatlich alles. Es war ein Ministerratsbeschluss, wir machen das so und so und das wurde dann so durchgeführt. Bei der Wismut hat man dann Folgendes gemacht. Man hat die Lohnerhöhung, die musste man auch machen, man hat aber immer nur die Mindesterhöhung gewährt und nicht die Spanne ausgeschöpft, die hätte höher sein können. Und da hatte sich das schon nach langer Zeit weitgehend angeglichen. Ich habe das verfolgt. Das Vorurteil aber, das hat sich gehalten, dass die alle immer mehr verdienen. Das war so. Das weiß ich. Und ich weiß nicht, als ich anfing, gab es auch schon diese Privilegien über den Wismuthandel nicht mehr und so weiter. Das hat sich alles schon revidiert. Ich wüsste nicht, dass ich das auch jemals, ich kann mich nicht erinnern, dass ich da mal was in Anspruch genommen hätte. Was natürlich gut, vielleicht sicher besser war, ich kann das nicht beurteilen, aber sicher, das System der Sanatorien und so weiter, das war aber eben auch Bestandteil des Gesundheitswesens, dass die Bergleute eben auch Anspruch auf Rehabilitation haben und so weiter. Und sicher auch das Ferienwesen, aber das kann ich dann nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, wie das in anderen Großbetrieben so gelaufen ist. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass viele Kombinate eben ganz hervorragende Ferienangebote für ihre Mitarbeiter hatten.

GRUPPE

Und wie haben Sie sich gefühlt, als Sie mitbekommen haben, dass es jetzt bei der Wismut eine freie Stätte gibt, dass sie da arbeiten können. War das etwas Besonderes?

Lothar Hofmann

Nein, eigentlich nicht. Das Vordergründige war dann quasi eine Ausbildungsstelle zu bekommen in einem Fachgebiet, wo man sich konservativ, operativ, das war ja meine Priorität, arbeiten konnte. Und ich hatte dann natürlich auch in der Zeit, wo ich als Student noch in der Klinik war, mitbekommen, welche Art Arbeitsatmosphäre in der Klinik existiert. Das spielt alles eine Rolle. Bei vielen jungen Leuten, ich habe das auch an meinen eigenen Söhnen erlebt, dass die sich dann Arbeitsstellen ausgesucht haben, wo das Arbeitsklima stimmt. Und dann dann muss ich dazu sagen, dass das Krankenhaus hier in Gera, das war ja wie gesagt 1962 ein Neubau und das war sicher damals eines der modernsten Krankenhäuser in der DDR, ganz hervorragend konzipiert und gebaut. Ich vermute, wann ich dann später nach der Wende bei einer Tagung, ich kann jetzt gar ich mir den Ort sagen, hier aber ein Krankenhaus gesehen habe, jetzt muss ich mal das Taschentuch herausholen, welches den gleichen Grundriss hatte, also in den Altbundesländern. Ich kann jetzt tatsächlich nicht mehr sagen, was das war. Und da ist mir aufgekommen, dass das wahrscheinlich, dass die Architekten damals hier in der DDR, die das Ding geplant und gebaut haben, sich umgetan haben und da ein bisschen abgekupfert haben. Das war so, auch von der inneren Strukturierung des Baus her, so ähnlich, konnte ich mir nichts anderes vorstellen, als diesen Bau, dass der nachgebaut worden ist. War für damalige Verhältnisse ganz, ganz modern. Es war dann auch ein Haus, ich habe das ja dann später noch mal erleben müssen, was außerordentlich gut durchorganisiert war. Ein Krankenhaus muss funktionieren, auch im organisatorischen Ablauf. Da gibt es solche und solche Krankenhäuser. Das war fast perfekt dort.

INTERVIEWER

Da würde ich gerne vielleicht kurz einhaken. Ich habe von anderen Zeitzeugen schon gehört, dass der Betreuungsschlüssel in dem Sinne gestimmt hat, dass es viel medizinisches Fachpersonal auf den Patienten gab. Würden Sie dazu stimmen? Ist das das, was die organisatorische Kommission ausgemacht hat?

Lothar Hofmann

Ja, auf jeden Fall, aber ich denke mal, dass das in den anderen Krankenhäusern in ähnlicher Weise war. Das Krankenhaus dort, hier in Gera, hat sich insbesondere dadurch ausgezeichnet, dass es eine ungeheure Personalstabilität gezeigt hat. Nur ein Beispiel. Ich bin ja dann 1976 an die Universität nach Rostock gewechselt und wurde als zehn Jahre später als Chefarzt zurückgeholt. Und ich war perplex. Ich habe nach zehn Jahren das gleiche Personal angetroffen, natürlich zehn Jahre älter. Da sind natürlich junge Schwestern und so weiter dazugekommen, aber ansonsten war das nicht nur in der Urologie, sondern auch in anderen Bereichen eine ganz enorme Personalstabilität. Das spricht dadurch eben auch für das Haus oder sprach für das Haus hinsichtlich des Arbeitsklimas und so weiter. Denn wenn es einem auf der Arbeit über Jahre nicht gefällt, dann verbrindet man meistens nicht und sucht sich was anderes.

GRUPPE

Also nehme ich an, dass Ihnen das Arbeitsklima hier in Gera sehr gut gefallen hat, dass Sie auch zurückgekommen sind als Chefarzt.

Lothar Hofmann

Ja, das hatte viele Gründe. Der Hauptgrund war die Stasi eigentlich. Ich war dann Oberarzt in Rostock an der urologischen Universitätsklinik und diese Universitätsklinik war zugleich eines der Nierentransplantationszentren der DDR. Es gab ja nur drei oder vier Transplantationszentren in der DDR. Und wenn man an der Universität arbeitet, muss man forschen. Und ich habe neben der Transplantationsforschung war ich noch auf den Fachgebieten Prostatakarzinom, also Vorstierdrüsenkrebs, Harnsteinleiden. Das waren so die Schwerpunkte, die ich dort beackert habe und wir haben dort also echt tolle und hochinteressante Untersuchungen gemacht, insbesondere auch zum Harnsteinleiten. Ich will es kurz machen. Die Staatssicherheit wollte mich in Rostock anwerben, nicht als EM, sondern ich sollte, Sie werden es vielleicht nicht mehr kennen, sogenannter Reisekader werden, für Wissenschaftler, die dann zu jedem Kongress im westlichen Ausland, sonst konnte man ja nicht, wenn man zu einem Kongress nach Paris fahren wollte, das war unmöglich, oder nach Hamburg, das war unmöglich. Aber wenn man Reisekader war, dann konnte man fahren, also begrenzt. Wenn man Reisekader der Staatssicherheit war, hätte man überall hinfahren können. Und da ist mir erstmal bewusst geworden, was wir für tolle Untersuchungen machen, denn sonst schicken die keinen los, wenn jemand im westlichen Ausland überhaupt international wissenschaftlich keine Chance gehabt hätte, da aufzutreten. Also die hatten mich gefragt, ob ich unter diesen Bedingungen Reisekader werden will, und da habe ich gesagt, nein, ich möchte Reisekader Mecklenburg bleiben. Reisekader in Mecklenburg. Da war für mich natürlich dort eine Hochschullaufbahn quasi. Ich konnte mich noch habilitieren und ich wäre nie Dozent geworden zu DDR-Zeiten oder so. Das war erledigt. Und das war der eine Grund. Der andere Grund war, dass mich der Gebietsarzt, Gebietsarzt war der Bezirksarzt und es gab es ja in der DDR die Bezirksärzte und bei der Wismut nannte der sich aber Gebietsarzt, war aber quasi in der Stellung eines Bezirksarztes. Das muss ich noch dazu sagen, das Gesundheitswesen Wismut unterstand immer dem Gesundheitsminister. Das war also ein eigenes Gesundheitswesen, aber es unterstand dem Gesundheitsminister der DDR. Der hatte also Weisungsbefugnis auch da rein, ja, nur um das mal klarzustellen, der Gesundheitsminister. Und ja, da der Gebietsarzt kam dann mal, vielleicht drei, vier Jahre bevor ich hier die Stelle eingetreten hatte, einen Anruf, ob ich denn Interesse hätte. Der hatte sich dann schon rechtzeitig umgetan und wusste, dass die Urologie in ein paar Jahren neu besetzt werden muss, weil der alte Chef in Rente geht. Und da haben sie sich wahrscheinlich an mich erinnert, dass da einer mal an die Uni gegangen ist oder was. Jedenfalls kam das und es spielten dann noch familiäre Gründe in der Rolle. Die Eltern meiner Frau waren ja hier in Gera zurückgeblieben, wurden immer älter und so weiter. Das war (…) der Komplex, der dann dazu geführt hat, dass ich nach Gera zurückkehrte.

INTERVIEWER

Vielleicht noch eine weitere Frage, die da anschließt. Nicht, dass ich euch was vorwegnehmen möchte. Sie haben vorhin gesagt, Ich habe kennengelernt, wie die Leute unter Tage gerarbeitet haben, wie haben sie das kennengelernt?

Lothar Hofmann

Auch die Ärzte, die im Krankenhaus gearbeitet haben, die waren verpflichtet ein- bis zweimal pro Jahr einzufahren unter Tage. Wir wurden dann von Steiger, Obersteiger durch die ganzen Schächte geführt. Und uns wurde dann eben gezeigt, bei laufendem Betrieb, ja, wurde gezeigt, wie die Leute arbeiten. Das war auch absolut notwendig, insbesondere für fragende Begutachtungen. Wir mussten ja Bergleute begutachten und die schlimmsten Begutachtungen waren immer die, wenn man begutachten musste, sind die noch unter Tage arbeitsfähig oder dürfen die noch unter Tage einfahren oder nicht. Das war immer ganz, weil die Bergleute, das werden Sie sicher auch wissen, die haben ja vieles kaschiert, Arbeitsunfälle kaschiert und so weiter, ja, damit sie ihre Prämien nicht verlieren, damit sie, ja, auch versicherungsmäßig und vor allem, dass sie nie Gefahr laufen, von Untertage rauszukommen, weil es a, natürlich ein Verlust an monatlichem Einkommen war, Aber noch viel schlimmer war ja, dass man die Bergmannsrente verlieren konnte. Die mussten ja 15 Jahre unter Tage sein, um die Berechtigung zur Bergmannsrente zu bekommen. Das waren die Beitragszahljahre, die sie haben mussten. Und wenn einer dann 14 Jahre unter Tage war und plötzlich kam ein Gutachten, der ist nicht mehr unter Tage, dann können Sie sich vorstellen, was für eine Welt für den zusammenbrach war, vor allem finanziell. Und ich sage Ihnen jetzt nur mal ein Beispiel aus der Urologie, das ist ganz kurios, aber das war immer ganz schwierig. Es gibt die angeborene Einnierigkeit. Sie kommt mit einer Niere auf die Welt. Nicht mit zwei. Das wissen die meisten erstmal gar nicht. Die Niere, die da vorhanden ist, die ist genauso leistungsfähig wie zwei Nieren. Aber man hat eben nur eine. Und das konnten völlig gesunde Leute sein. Aber wenn per Zufall festgestellt wurde, der hat nur eine Niere, dann war der nicht mehr untertage-tauglich, wegen der Unfallgefahr. Die Unfälle unter Tage, die waren ja ganz schlimm. Auch urologisch, was wir da zu sehen bekommen haben, das war schon ganz ordentlich. Und auch noch zu der Zeit. Die schlimmste Zeit war ja, das werden Sie ja wissen, mit Beginn 1946, das sind ja wohl über 7000 Todesfälle, Arbeitsunfälle, die bei der Wismut passiert. Und nun erklären Sie mal so einen Bergmann, du bist nicht mehr untertage-tauglich, weil nur noch eine Niere hast. Und andere Dinge eben auch, hinsichtlich der Belastung und so. Es konnte kein Arzt in der Klinik ein Gutachten schreiben, wenn er nicht wusste, wie der vor Ort arbeitet oder arbeiten muss und welchen Belastung der ausgesetzt ist. Das tollste Erlebnis war natürlich für mich, wir sind mal in Aue eingefahren in den tiefsten Schacht 1600 Meter. Kennen Sie dass

INTERVIEWER

Wie haben Sie sich da gefühlt dabei? Wir fragen, dass die Bergleute immer, wie ihre erste Einfahrt war. Wie war Ihre erste Einfahrt nach Untertage oder generell die meinetwegen auch in Aue?

Lothar Hofmann

Das war natürlich für mich jedenfalls hochinteressant. Ich hatte keinerlei Ängste, da nach unten reinzufahren. Ich litt nicht unter Klaustrophobie oder sowas. Vordergründig war eben für mich die Neugierde mal das alles kennenzulernen und war hochinteressant und ja auch solche Dinge wie … wir laufen da unten durch und wir stehen in die Arztgruppe steht und der Steiger rum, der erklärt was und auf einmal rumst es wahnsinnig und bröckelt Stein darunter und so weiter und alle sind erschrocken, zucken zusammen und der Steiger in aller Ruhe sagt dann, keine Angst, da ist irgendwo geschossen worden, das hieß ja Schießen. Das war also für den was völlig Normales und sowas musste man eben auch kennenlernen. Aber Aue, da habe ich eben dann gesehen, wie wahnsinnig kostenaufwendig die ganze Geschichte auch war. Die Gesteinstemperatur dort in 1600 Metern Tiefe betrug 64 Grad. 64 Grad. Und wenn man dort unten rumlief, musste man aufpassen, dass man keinen Wassertropfen abbekam, weil der eben diese Temperatur hatte. Und damit dort unten überhaupt gearbeitet werden konnte, hatten die in die Schächte mit den Frischwettern Zwischenkühlungen eingebaut. Die Frischwetter wurden also zwischengekühlt, damit der Hauer vor Ort 25 Grad hatte. Ich muss Ihnen nicht erklären, was das gekostet hat. Ja, das war schon interessant. Ja, 1600 Meter unter der Erde zu sein, das ist ein Erlebnis, ja. Ja.

INTERVIEWER

Habt ihr Fragen, die daran angriffen? Vielleicht noch eine zwischenschießen. Sie hatten vorhin auch gesagt, wenn man so eine Diagnose bekam, dass man unter Tage nicht mehr arbeitsfähig ist. Sie sind kein Psychologe. Und es wurde auch, wie wir das so rausgefunden haben, bisher relativ wenig so über diese psychologische Dimension. Sie meinten natürlich, da kann man seine Rente verlieren. Da kann man seinen vielleicht mal auf diese Bergmannsidentität und diese Fragilität, vielleicht können wir da einfach mal, Sie als Urologe sind ja da noch mal, was Männerkrankheiten angeht, auch eigentlich sehr versiert, vielleicht können Sie mal schildern, wie ein Bergmann zum Arzt geht.

Lothar Hofmann

Die Bergleute waren ja einem ganz strengen Gesundheitsüberwachungsregime unterworfen das war auch notwendig und das wird anderswo auch so gewesen sein. Gerade die Untertage-Arbeitenden wurden ja halbjährlich meines Wissens abgecheckt, durchgecheckt und wenn da der geringste Befund da war, wurden die oft sofort eingewiesen mitunter eben zur Abklärung. Ich will nur ein Beispiel sagen. Wenn bei einer Urinuntersuchung festgestellt wurde, dass da zu viele rote Blutkörperchen im Urin waren. Es gibt die sogenannte Mikrohämaturie. Das sieht man nicht, ne. In Makrohämaturie, da ist der Urin richtig blutig. Aber wenn das eben nur eine geringe Menge an Erythrozyten ist, das sieht man augenscheinlich nicht, aber man stellt es immer unter den Mikroskop fest, wird ausgezählt und so weiter. Oder zu viel Eiweiß im Urin, dann wurden die meisten, landeten die dann eben bei uns in der Urologie, weil das Haus hatte keine Nephrologie. Das war eben, und wir mussten uns als Urologen dann eben auch auf das Gebiet, die Nephrologie gehört zum inneren Fachgebiet, eben nephrologisch auch weiterbilden und entwickeln, bis hin zur Nierenbiopsie. Wir haben dann auch die Nierenbiopsien durchgeführt, was sonst anderswo Internisten gemacht haben. Und ja, es musste abgeklärt werden, also da war man sehr streng. Im Grunde genommen war es so, dass, wenn man Bergmann war, keine bessere medizinische Überwachung und Betreuung haben konnte. Das muss ich so sagen. (…) Den psychologischen Aspekt, das wussten wir schon, was da dran hängt. Das war klar, das haben uns die Leute ja selber erzählt. Und gesagt, der Doktor, die haben ja das selber versucht man Einfluss zu nehmen oder so. Das war schon klar, aber letztendlich als Gutachter musste man objektiv sein. Da durfte man ja überhaupt keine subjektiven Dinge einfließen, das sagt man als Gutachter nicht, sonst geht man sofort baden. Das war schon schwierig, Das muss ich sagen. Im Übrigen ist die Urologie kein Fachgebiet für Männer (lacht).

INTERVIWER

Wenn wir über Männer und Urologie und Bergarbeiterkrankenhaus reden, dann klar.

Lothar Hofmann

Die Urologie ist, das machen sich die wenigsten klar, ein onkologisch sehr kopflastiges Gebiet. Ich lasse jetzt mal den Vorstierdrüsenkrebs aus, der häufigste Krebs des Mannes, aber dann kommt der Blasenkrebs, da sind die Frauen genau so befallen, dann kommt der Nierenkrebs, gut Hoden-Krebs, das ist noch, ja, aber ansonsten. Bezüglich der Krebserkrankung in Verbindung mit Wismut, da kann ich Ihnen leider rein jetzt statistisch überhaupt nichts sagen, weil, ich sage nur ein Beispiel, das weiß ich noch von damals her, gleich als ich anfing, 1969, hörte ich, da war das schon gelaufen und abgeblockt worden, dass unsere Gynäkologen und Geburtshelfer draußen im Bergarbeiterkrankenhaus mal Untersuchungen machen wollten über die Fehbildungsrate bei Neugeborenen. Das war ja enorm wichtig, das zu wissen und man hat die Strahlung unter Tage eine Auswirkung auf den Nachwuchs. Es wurde sofort verboten, abgeblockt. Inwieweit es Untersuchungen gab, die dann unter dem Siegel der Verschwiegenheit irgendwo verschwunden sind, das weiß ich nicht, aber solche Dinge wurden gar nicht, Nun kann ich aus persönlichen Erlebnissen Folgendes sagen, die Urologie war die zentrale Klinik für das gesamte Gesundheitswesen Wismut. Das war also eine Zentralklinik. Wir hatten also einen Einzugsbereich, der ging bis Dresden. Von Gera aus kamen Patienten, die Leupoldes ein- und irgendwo arbeiteten, die kamen dann, wenn es notwendig war, in die Urologie nach Gera. Und so hatte die Klinik natürlich auch Patienten aus den oberen Etagen der Verwaltung der Wismut. Weil es nur die einzige war. Ich kann mich noch, Sepp Wenig ist ja bekannt. Sepp Wenig ist ein Begriff. Der war dort Patient bei uns. Und dann hatten wir mal den Archivar der Wismut. Damaligen Archivar. Ich kann mich an Namen nicht mehr erinnern. Ich weiß nur, was er uns erzählt hat über die ersten Jahre der Wismut. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Das war wirklich Wildwest. Der wilde Westen. Erstens mal von der Zusammenwürfelung der Leute, die sie für den Bergbau rekrutiert hatten. Da waren ja eben auch Kriminelle dabei, das muss man sagen. Die straffällig geworden sind, aber die dann für den Bergbau waren sie gut. Die meisten in dieser Zeit, 1946, 1947, sind zur Wismut gegangen, weil es da was zu essen gab. Das war der Grund, (…) weil es da etwas zu essen gab. Die wurden nämlich gut verpflegt. Und Geld spielte damals, sie haben wahnsinnig viel Geld verdient, in der ersten Zeit auch, überhaupt keine Rolle. Der Archivar hat uns erzählt, dass es Bergleute gab, die dann, wenn sie ihr Geld am Monatsende ausgezahlt bekommen sind, in die Kneipe gegangen haben, sich mit einem 100-Mark-Schein die Zigaretten angezündet, weil das Geld wertlos war. Sie konnten sich für das Geld, so 46, 47, was wollten sie sich kaufen? Nichts, gab nichts. Die Schlaueren unter denen, die haben das natürlich beiseite gelegt und haben sich später ein Häuschen gebaut, das will ich auch dazu sagen. Aber so war das damals. Oder das gesamte Transportwesen, wie die transportiert wurden mit den Zügen, das können sie sich nicht mehr vorstellen. Die haben auf dem auf dem Dach der Waggons gesessen. Und wenn da jemand kam und die reglementieren wollte, die sind ja noch mit ihrem Pickel nach Hause gefahren, den sie hatten, haben die die Leute bedroht, waren Bergleute. Also das war es eine Zeit, darüber wird ja natürlich nicht so, aber das hat er uns und das ist alles meines Wissens ist das dann, wer das uns erzählt hat (lacht), müsste das eben auch archiviert sein. Ich kann es mir nicht anders vorstellen.

INTERVIEWER

Da unterscheidet man ja eben auch zwischen Gera, also der Standort 1950, der ist aufgebaut, da war schon alles deutlich zivilisierter.

Lothar Hofmann

Ja, ****die ersten Jahre kann man wirklich mit Wildwest umschreiben, Wildwest. Später dann natürlich war das alles perfekt durchorganisiert, reglementiert und so weiter. Und wir, wenn da was daneben ging. Bis auf Arbeitsunfälle, das muss ich dazu sagen. Da mussten wir höllisch aufpassen. Es kamen manchmal Bergleute und deklarierten so etwas als zivilen Unfall, eine Verletzung oder sowas. Dabei ist das unter Tage passiert. (…) Das wäre dann auf die Brigade zurückgefallen, dass sie solche Dinge, Rahmenbedingungen, solches Verhalten dann implementieren und nicht wissen, dass das natürlich für ihn ganz nachteilige Folgen haben könnte, das haben wir dem immer klar machen müssen. Wenn nämlich nach so einem Unfall Spätfolgen auftreten später, nach fünf Jahren oder zehn Jahren, kann der den Anspruch nie geltend machen, wenn es ein privater Unfall war. Aber wenn es ein Arbeitsunfall war, hatte er das Anrecht, dann war das ein Folgeschaden. Das haben die sich nicht klar gemacht.

GRUPPE

Wie oft ist es passiert, dass Sie Arbeitsunfälle mitbekommen haben?

Lothar Hofmann

Bei uns landeten natürlich die Unfälle, die urologische Auswirkungen hatten. Ein ganz typischer, nicht nur hier in der Region, sondern generell ein ganz klassischer unter Tage Bergmannsunfall ist der, dass wenn ein Bergmann, die haben ja unten ihr Transportsystem, die sogenannten Hunde, die dann zusammengeschoben werden und wenn dann mal ein Bergmann unbedacht zwischen den Hunden stand und die Dinger wurden zusammengeschoben. Dann kam der mit einer multiplen Beckenfraktur. Das hatte immer zur Folge, bei diesem massiven Druck kam es sofort zu Beckenfrakturen und da oft zu Harnröhrenabrissen, zu Blasenverletzungen und so weiter. Das mussten wir dann wieder in die Reihe kriegen. Zur damaligen Zeit, die besten Harnröhrenchirurgen waren die Urologen, die in Bergbauregionen gearbeitet haben. Auch in Polen, Katowice zum Beispiel, gab es zwei Urologen, das waren Spitzenleute auf dem Gebiet der Harnröhrenchirurgie. Solche Zusammenhänge gibt es auch. Also, das passierte nicht häufig, aber wenn, dann war es schon heftig.

GRUPPE

Und hatten Sie auch Freunde oder Familie, die bei der Wismut gearbeitet haben?

Lothar Hofmann

Nein, nein. Also aus meinem Familienbereich jetzt nicht, natürlich Freundesbereich schon, ja. Also, da muss ich jetzt dazu sagen, entferntere Freundschaft, zum Beispiel der Ehemann einer Cousine meiner Frau, der war auch unter Tag und so, also sowas, klar, war in der Region.

GRUPPE

Haben Sie da irgendwelche Arbeitsunfälle oder so miterlebt oder war das nicht der Fall?

Lothar Hofmann

Nein, also für die Arbeitsunfälle, die Ersten, die vor Ort waren, waren die Schachtärzte. Es gab ja die Schachtambulatorien, die direkt vor Ort tätig waren und das war auch notwendig. Man konnte nicht plötzlich ein Team jetzt aus dem Klinikum, stelle ich mir vor, nachts ein Unfall unter Tage, da musste man ein System haben, wo man unmittelbar vor Ort gleich eingreifen konnte und da sind die Ärzte dann natürlich gleich mit runter und eingefahren, wenn irgendwas war.

GRUPPE

Also was ich meine ist, dass Sie keine Bekannte oder Freunde haben, die selbst Arbeitsunfälle erlebt haben?

Lothar Hofmann

Nein, das nicht.

GRUPPE

Sie haben gerade von den Schachtambulatorien gesprochen. Können Sie vielleicht erzählen, was genau die Schachtambulatorien alles gemacht haben?

INTERVIEWER

Vielleicht auch, wie die Zusammenarbeit dann mit dem Wismut Krankenhaus aussah, wie es dann weiterging?

Lothar Hofmann

Ja, na, die hatten natürlich als erstes verschiedene Aufgaben. Einmal die ganz normale medizinische Betreuung, wenn jemand, ich sag mal jetzt ganz banal, Infekt hatte, Grippe oder sonst etwas. Einmal das. Dann hatten die, und damit waren die auch permanent beschäftigt, die Reihenuntersuchungen zu machen, die Bergleute zu untersuchen. Wenn Sie sich vorstellen, halbjährlich jemand unter Tage, und wenn Sie sich mal ausrechnen, unter Tage tätig waren. Dann kamen die, fast täglich hatten die dann also Bergleute, die dann zur Reihenuntersuchung auch da waren. Das ist das eine. Und dann natürlich wurden die auch viel intensiver trainiert für die Rettung unter Tage. Die mussten also viel, viel häufiger einfahren und waren auch viel, viel häufiger unter Tage, die Schachtärzte. Ja, das war so im Wesentlichen das, was deren Aufgabe war. Also im Grunde genommen, Betriebsärzte gibt es ja heute auch noch. Und wie anderswo auch. Aber mit der ganz speziellen und typischen Ausrichtung und noch besonderen Ausrichtung auf Bergbau, Untertagebergbau und ja.

GRUPPE

Und bei den Reihenuntersuchungen, was wurde dann alles gemacht? Also z.B. Röntgen oder?

Lothar Hofmann

Also, genau kann ich Ihnen das jetzt nicht sagen. Was regelmäßig kontrolliert wurde, waren natürlich die Blutwerte, die Laborchemie, Urinuntersuchungen, eine klinische Untersuchung. Wie oft die geröntgt wurden, das weiß ich jetzt nicht. Röntgen ist ja auch eine Strahlenbelastung, so konnte man auch nicht jedes halbe Jahr Röntgen. Das war auf keinen Fall möglich und sicher auch nicht notwendig. Und dazu muss man sagen, selbst wenn man zu der Zeit mit einer Röntgen-Lungenaufnahme einen Lungenkrebs entdeckt hätte, dann hatte der schon ein Stadium, das schon ziemlich weit fortgeschritten war, um überhaupt röntgenpflichtig zu werden. Heute ist das ganz anders mit CT, MRT und so weiter. (…) Da gehörte dann eben auch Herz-Kreislauf-Untersuchungen und so weiter. Das ist klar. Blutdruck und EKG und so weiter.

GRUPPE

Wie oft wurden die Untersuchungen gemacht?

Lothar Hofmann

Also, die Bergleute unter Tage wurden halbjährlich abgecheckt. Halbjährlich, alle sechs Monate. Das war Vorschrift.

GRUPPE

Sie haben vorhin erwähnt...

Lothar Hofmann

Die, die über Tage arbeiteten, natürlich nicht. Da war vielleicht eine jährliche Untersuchung oder so. Das ist klar. Oder wenn jemand in der HO Wismut gearbeitet hat, eine Verkäuferin. spielte dann keine Rolle, wie bei mir auch nicht, also im Krankenhaus.

GRUPPE

Sie haben von den Missbildungen gesprochen, die ja nicht untersucht werden konnten wegen der Statistik. In Büchern habe ich gelesen, dass es oft zu Unfruchtbarkeit kam bei Männern und Frauen. Häufig bei Männern, die unter Tage gearbeitet haben. Können Sie das bestätigen?

Lothar Hofmann

Untersuchungen dazu kenne ich nicht, aber ich würde es auf jeden Fall mit „Ja“ beantworten, weil (…) und das wissen wir auch in den ersten Jahren zum Beispiel, und da besonders aus den ersten Jahren der Wismut, wenn die Bergleute auf eine Uranpechblendenader gestoßen sind, reine Uranpechblendeuntertage, dann wurde das ja schon unter Tage in Kisten verpackt, das Zeug. Das wurde gesondert, abtransportiert. Das lagerte aber auch erst mal unten, ja. Die Bergleute haben sich auf die Kisten gesetzt, sie haben dort gefrühstückt. Muss ich nichts weiter sagen. Das Zeug hat gestrahlt. Entweder wussten sie es nicht, oder sie haben es nicht ernst genommen, ja, damals. Das gab es natürlich dann später nicht mehr. Es wurden ganz regelmäßig Strahlenmessungen gemacht, deren Ergebnisse nie veröffentlicht wurden. Wir haben nie eine Zahl bekommen. Aber wenn man weiß, was da unten abgebaut wird und welche Strahlung es aussendet und welche Wirkung es hat, dann würde ich dann schon sagen, Ja. Auf jeden Fall.

GRUPPE

Also Sie wussten es auch nicht, dass da Strahlung ausgesetzt wird?

Lothar Hofmann

Na doch, wir wussten schon. Wir wussten nur nicht, ob es dazu Untersuchungen gab, die, wie ich sage, unter dem Siegel der Verschwiegenheit liefen. Ich sagte ja schon, die Untersuchungen, die, die auf Eigeninitiative, die Gynäkologen, Geburtshelfer in Gera machen wollen, es wurde sofort verboten. (…) Sicher kann man aus den ganzen Statistiken, Krankenstatistiken, kann man ja einiges rauslesen. Das ist klar, diese Häufung an Tumorerkrankungen und so weiter. Das war aber nicht nur das größte Problem. Das allergrößte Problem in den ersten Jahren war die Silikose. Das dürfte Ihnen bekannt sein, oder? Trockenbohren. Im Erzgebirge, dieses Silikatgestein, dieser Staub, dieser feine Staub, wenn der inhaliert wird, führt er zu Veränderungen der Lunge, die man als Silikose bezeichnet. Das heißt also, die Lunge vernarbt, fibrosiert und führt zu ganz schweren Schäden an der Lunge. Und dann zu dieser Zeit gab es ja noch die Tuberkulose. Wenn sich dann noch eine Tuberkulose, und die hat sich oft aufgepropft. Silikose, Tuberkulose, Silikotuberkulose. Die meisten Bergleute, die damals gestorben sind, sind an der Silikose gestorben. Und da reicht es mitunter aus, dass die ein Vierteljahr, nur ein Vierteljahr trocken gebohrt haben. Ein Vierteljahr. Das wurde ja dann unterbunden. Man hat dann das Problem gesehen. Hier in der Ronneburger Region war es so, dass dieses Problem vom Gestein her nicht so dramatisch war, aber trotzdem vorhanden war. Und dann wurde, ich glaube, ab 1948 wurde dann das Nassbohren eingeführt, dass dann nur noch nass gebohrt wurde und dass alles, was dort unten an Gestein anfiel, dass das dann auch berieselt wurde, dass kein Staub entstand und sowas. Wenn wir da unten rumliefen, Gummistiefel, klar, und dann war es da unten klatschnass unter Tage. Alles nass.

INTERVIEWER

Was ja auch wieder zu anderen Komplikationen führen kann, wenn es rutschig im Grunde ist. Kurze Frage noch zu diesen Zusammenhängen in der Klinik. Hatten Sie viel mit Lungenärzten auch zu tun? Gab es da auch Austausch?

Lothar Hofmann

Ja, ja, ja.

INTERVIEWER

Und gleich nicht wundern. Ich werde vielleicht gleich mal so reinfilmen für Social Media.

Lothar Hofmann

Wir hatten ja täglich, das ist der klassische, klinische Ablauf in einer Klinik, alle Röntgenaufnahmen, später kam ja dann alles andere noch dazu, MRT, CT, die ganzen Aufnahmen, die an einem Tag in einer Klinik gemacht werden, die werden dann gemeinsam beurteilt. Sowar es zumindest bei uns, so kenne ich es auch von Rostock. Wir sind dann an einer bestimmten Zeit am Tag, meistens war es der Nachmittag, wurden die ganzen Aufnahmen, der Kliniker, der berichtete über den Patienten und der Radiologe, erklärte den aktuellen Befund von diesem Tag. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass da immer noch 1969 Leute dabei waren, Lungenaufnahmen mit Silikose und so weiter. Und die Röntgenärzte der Wismut, die waren ganz besonders ausgebildet auf dem Gebiet der Beurteilung von Silikose, Silikotuberkulose und so weiter. Also das ist mir sehr bewusst. (…) Und das reichte, wer einmal eine Silikose hatte, der bekam sie auch nicht wieder los und oftmals waren es eben dann auch bei Begutachtungen nicht. Die waren ja dann schon, viele waren invalidisiert wegen dieser Geschichte und mussten auch regelmäßig immer wieder nach begutachtet werden, wegen ihrer Ansprüche, die sie berechtigterweise dann auch hatten.

GRUPPE

Also haben Sie wirklich mitbekommen, dass es viele Silikose-Fälle gab und auch Lungenkrebs, nehme ich an?

Lothar Hofmann

Ja, natürlich.

GRUPPE

Gab es auch andere Krebsarten, die eventuell darauf zurückzuführen sind, was unter Tage angeht?

RIKE

Schwierig zu sagen. Ich meine, Hodenkrebs, die bei uns landet, nun ist der Hodenkrebs ja ein Krebs des jungen Mannes. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 30, höchstens 40 Jahren. Da war es natürlich schwierig zu sagen, ja Gott, der hat es jetzt wegen der Strahlung oder so bekommen. Das hätte man dann nachweisen müssen. (…) Wir hatten natürlich auch viele Blasentumoren, wobei es immer schwierig ist, wenn Sie eine Patientenklientel haben, was generell sehr häufig auftritt, da nur zu sagen, gut, das gehört in die auslösenden Ursachen, die man generell und allgemein hat, oder gibt es dafür ein bestimmtes Klientel jetzt berufserkrankungsrelevante andere Aspekte. Aber letztendlich, das war eben das, was mich auch dann ziemlich unangenehm, nicht unangenehm, empört hat eigentlich. Dass man dazu keine Untersuchungen oder Recherchen anstellen konnte. Das war so.

INTERVIEWER

War das damals auch schon so? Also diese schon auch Unfreiheit von medizinischer Forschungsarbeit, haben Sie sich da ausgetauscht auch im Kollegium dazu? War das...

RIKE

Ja, klar. Das Thema Strahlenbelastung war eigentlich immer Gegenstand von Diskussionen, dass wir nicht wussten, welchen Strahlenbelastungen sind die ausgesetzt. Gerade auch Radiologen oder Internisten, die betraf es ja noch viel heftiger als uns Urologen. Das stieß natürlich auf uns, aber es war ja nun, wir lebten ja dann in einem System, was ohnehin repressiv war. Das wird dann eben, wenn man nichts dagegen machen kann, dann resigniert man.

INTERVIEWEE

Ich habe viele Fragen. Habt ihr viele Fragen?

Lothar Hofmann

Ich hätte noch ein paar ganz gerne dazu.

INTERVIEWEE

Man kann auch ein bisschen im medizinischen Bereich dann noch bleiben. Mich würde zum Beispiel noch interessieren, das habe ich mir aufgeschrieben, dass Sie natürlich auch dieses Ferienwesen war ja auch dafür bedacht, gedacht, Bergarbeiter nicht nur bei Laune zu halten, sondern auch

RIKE

rehabilitativ, also

INTERVIEWEE

nicht nur die Nachtsanatorien und

RIKE

so

INTERVIEWEE

weiter. Wie war das denn für die Belegschaft im Wismut Krankenhaus? War die auch an das Ferienwesen angekoppelt? Gab es auch

RIKE

noch Geschäfte? Ja, es waren ja alle in dem Gewerkschaftsbund organisiert und es wurde dann darüber vergeben. gab dann ein bestimmtes Kontingent an Urlaubsplätzen und da konnte man sich bewerben. Was natürlich sehr begehrt war, Hochburg war zum Beispiel an der Ostsee oben Zinnerwitz, dürfte Ihnen Begriff sein? Da

INTERVIEWEE

waren wir

RIKE

auch. Da war ich einmal. Und dann gab es natürlich noch die anderen Ferienorte. Das lief eigentlich im Grunde genommen nicht anders als in anderen Bereichen auch. Sicher gab es auch nicht ausreichend. Mich interessierte das dann persönlich nicht mehr so sehr, weil wir unseren Urlaub dann meistens privat organisiert haben.

INTERVIEWEE

Hätten Sie als Arzt Möglichkeiten auch mehr ins Ausland, also diese Privilegierung innerhalb der Belegschaft der Wismut, also das gerade auch die höheren, nennen wir sie die höheren Tiere, auch in Roten Oktober in Zündewitz dürfen. Hat sich das im medizinischen Bereich auch widergespiegelt, dass es unterschiedliche Zugänge zu bestimmten Ferienplätzen gab oder auch die Möglichkeit, Städtereisen

Lothar Hofmann

ins

INTERVIEWEE

Ausland zu machen?

RIKE

Das spielte, ich sage nur das Wort Beziehung eine große Rolle. Eine höhere Charge hatte natürlich bessere Beziehungen irgendwohin, um etwas zu bekommen, das fände ich klar. Sicher gab es das, dass sich einige auf diesen Wege dann Urlaubsplätze organisiert haben, aber ansonsten verlief es in der Breite eigentlich so wie überall, würde ich sagen. Das gibt es ja heute auch noch, wenn ich meine.

INTERVIEWEE

Ich gebe gerne an euch noch weiter.

Lothar Hofmann

Dann würde ich erstmal das Thema mal kurz wechseln. Können Sie uns mal erzählen, wie ein normaler Arbeitstag für Sie aussah?

RIKE

Also, das muss ich jetzt differenzieren, als Ausbildungsassistent, die Arbeit begann früh auf der Station, früh um sieben, mit der Visite auf Station, dann gab es die Besprechung beim Chef, wo der Kollege, der Nachtdienst hatte, erstmal vom Nachtdienst berichtete und dann wurde der Bericht von der Visite abgegeben, da wurden natürlich in der Kürze der Zeit keine routinemäßigen Dinge besprochen, die sowieso laufen, sondern eben über Problempatienten und und und. Und dann wurde über das anstehende OP-Programm gesprochen, was schon am Vortag stand. Als Ausbildungsassistent hatte man dann meistens mit den Aufnahmen zu tun, dass man die Patienten, die in die Klinik kamen, aufnimmt, untersucht und so weiter. Es gab dann auch eine kurze Nachmittagswc, die er dann dem Chef vorstellt. Und ja, ansonsten dann war man auch Europäer. Und im Laufe der Zeit hat sich ja die Urologie zu einem Fachgebiet entwickelt, wo eben auch riesige Operationen durchgeführt werden, die mit ausgedehnten Baucheingriffen verbunden sind. Ich sage jetzt nur mal ein Beispiel. Ein Blasenkarzinom, Blasenkrebs, in einem Stadium, wo man den Patienten nur retten kann, indem man die Blase radikal entfernt. Bei Mann beinhaltet das die Mitnahme der Vorstehdrüse, bei der Frau Mitnahme des Uterus und so weiter. Und Ende der 80er Jahre sind dann auch OP-Verfahren entwickelt worden, um den Patienten eine Ersatzblase anbieten zu können. Man musste ja den Urin irgendwo hin ableiten. Ja, wohin? Meistens nach außen, mittens Toma oder sowas. Und dass man dann aus Darm Ersatzblasen geschaffen hat, um ein Reservoir, ein kontinentes, nicht etwa, dass der Urin einfach so wegläuft, sondern ein kontinentes Reservoir, bildet entweder nur normalen Ersatzblasen, orthotop, unten, wo die Blase lag, oder eben woanders. Und das waren dann Operationen, da ging man um 8 Uhr in den OP und wenn es gut ging, 16 Uhr wieder raus. Meine längste OP war nach 14 Stunden. Und was war das für eine OP? Ich kam aus einer OP, ich kann mich noch genau erinnern, es war ein Zugang da, es war ein stadtbekannter Mann, kein Politiker oder so, es war ein Geschäftsmann für den große Gärtnerei. Und da kam als Nierentumor eine Einweisungsdiagnose Nierentumor und ich untersuchte ihn. Und da wurde ich schon sehr skeptisch, weil der Tumor durch die Flanke hindurch zu tasten war. Durch die Flanke. Und Nierentumor durchbricht bestimmte anatomische Regionen nicht, nämlich die nach hinten. Und da war ich schon sehr skeptisch, ob es sich um ein klassisches Nierzellkarzinom handelt und unter der OP stellte sich dann raus, dass er einen riesen Tumor hatte, das war vorher bekannt, das ist klar. Dieser Tumor hatte dann die gesamten Körperstammgefäße ummauert, Aorta, Kava und so weiter und war Zwerchfell eingebrochen und wir hatten dann eine Schnellschnitt-Diagnose gemacht. Es war ein Sarkom, ein retroperitonales Sarkom und dann macht man ein intraoperatives Concierge. Da habe ich einen Gefäßchirurgen herangebeten, einen Strahlentherapeuten und eigentlich war es ein inoperativer Befund, der Mann hätte eine Lebenserwartung von drei Monaten gehabt und da habe ich gesagt, also wenn wir jetzt hier rangehen, das war relativ früher Vormittag, als wir das alles freigelegt hatten, da war uns klar, wenn wir jetzt hier weitermachen und das Ding rausholen, dann gehen wir abends aus dem OP. Und zwar so, wir haben den da noch ganz speziell, das kann ich zeigen. Darauf wollte ich hinweisen, das können Sie gerne, wenn Sie wollen. Ich habe, als ich die Klinik verließ, eine Chronik gemacht. Wissen Sie, wie die Urologie entstand? Die Urologie war immer Bestandteil der Chirurgie, des chirurgischen Fachgebietes. Immer eine Abteilung. Und die haben sich dann aus der Chirurgie freigekämpft. Das war wirklich Kampf, bis es dann ein eigenständiges, auch wissenschaftlich eigenständiges Fachgebiet wurde. Der hat mal mit zwei, drei Betten im Bergarbeiterkrankenhaus angefangen und hat daraus eine Klinik gemacht, in schweren Gefechten gegen die Chirurgen natürlich. Er kam aus einer sehr bedeutenden Klinik damals, das von Professor Stolze aus Halle und hier sind übrigens noch, aber ich denke, das werden Sie kennen, die Bilder von hier, wie die Planung

INTERVIEWEE

des Krankenhauses, Bergerweiner Krankenhaus. Ich kann Ihnen das schicken. Noch besser, wenn Sie es

RIKE

auch digital haben. Ich habe das digital, also das müsste ich alles digital, ja, das ganze Ding habe ich digital. Nehmen wir Sie gerne. Er hat, die ersten 20 Jahre der Chronik sind von ihm und dann kommt das andere. Ich kann es ihm aber nur leihweise, ich habe da nur ein paar Exemplare. Kann ich Ihnen überraten? Ja, okay. Aber ich brauche das Video. Auf jeden Fall. Ja.

INTERVIEWEE

Haben wir noch weitere Fragen in die Richtung? Sonst können wir auch gerne, wenn es schon um das Thema Chronik geht, einfach mal in Richtung Erinnerungskultur auch

Lothar Hofmann

gehen.

INTERVIEWEE

Aber, falls wir noch fachliche Fragen zum medizinischen Bereich haben.

Lothar Hofmann

Ich hätte jetzt noch so Freizeit.

INTERVIEWEE

Es gibt

Lothar Hofmann

auch andere Gruppen, Freizeit befassen? Wie sah denn bei Ihnen die Freizeitgestaltung aus?

RIKE

Bei

Lothar Hofmann

mir? Ja. Hatten Sie Freizeit in Ihrem Beruf?

RIKE

Achso, während des Berufes? Ja. Also, das sage ich Ihnen mal jetzt, mein Arbeitstag als Chefarzt, ich war in der Regel halb, spätestens um sechs in der Klinik, früh. Aus einem Grund, weil man in einem Arbeitsalltag, wo man bis Nachmittag im OP steht und so weiter, zu Verwaltungsarbeiten und so weiter, die dazugehören, nicht so richtig gekommen ist oder wenn, dann meistens dazwischen gestört wurde und so weiter. Und früh, halb sechs, war ich für mich ganz alleine und habe das dann bis um sieben erledigt. Um sieben kam ja schon die Sekretärin, da haben wir dann schon mal angeguckt, was für Zugänge geplant sind. Die Zugänge, die kamen, bestimmten ja dann schon das OP-Programm für den nächsten Tag. Die kamen rein und wurden am nächsten Tag operiert. Halb acht war dann Dienstberatung, dann kam die Stationsärzte, Oberärzte und dann wurde eben berichtet, was ich schon sagte, was war in der Nacht los, auf den Stationen und so weiter. Dann wurde das OP-Programm für den nächsten Tag schon erstmal, ja wie soll ich das jetzt sagen, erstmal vorgeschmiedet und um 8 musste man im OP sein. Das war im Grunde genommen Gesetz, weil wenn einer aus dem Team sich verspätet, musste das ganze Team warten. Das waren nicht nur die Assistenten, die OP-Assistenten, sondern das war der Anästhesist, die OP-Schwester, die mussten warten, weil einer nicht kam. Das ging nicht. Wir hatten ja oftmals, ich habe es ja schon gesagt, Programme, die gingen dann bis in die Nachmittagsstunden. Und meistens stand man im OP. Nun gibt es ja in der Urologie auch Operationen, wo man sitzt und resiziert und so weiter. Oder andere operative Eingriffe. Röntgenarbeitsplatz war immer ein OP-Arbeitsplatz im Grunde genommen. Und ja, das ging dann bis Nachmittag und dann war Röntgen-Schau mit dem Radiologen und dann war Dienstberatung, naja. Die OP-Berichte habe ich meistens in die Kassette abends zu Hause diktiert. Also mein Arbeitstag war so immer so um die zwölf Stunden. Zwölf bis vierzehn. Ja, was ich dann gemacht habe, war relativ Sport. Ich bin oftmals aus der Klinik rausgekommen, habe mich umgezogen, bin erst mal durch den Wald gerannt. Das macht einen kopffrei.

INTERVIEWEE

Vielleicht noch so zum Sport- und Kulturgetrieb, um diese Wismut drumherum, das haben Sie dann eher nicht partizipierend wahrgenommen, sondern Sie wussten, dass es das gibt? Ja,

RIKE

ja, ja. Also noch ein anderes Beispiel, ich habe zwei Söhne und der Ältere, der Der ist auch Arzt geworden, obwohl er es gar nicht werden wollte, wegen des Vaters. Als Junge hat er mal gestrichelt, wenn der Vater abends zu Hause war zum Abendessen. Für uns war damals vieles selbstverständlich, das muss ich sagen. Als ich Ausbildungsassistenz war und Patientenzugänge da waren, die bis zum normalen Dienstende nicht erledigt waren, das gab es gar nicht, dass man die Station verließ, ohne die Patienten nicht aufgenommen zu haben. Da bin ich auch erst am 19. Uhr nach Hause gekommen. Dann wurden abends die Patienten aufgenommen. Ich glaube, es gibt es heute nicht mehr. Aber da muss ich jetzt die Kollegen in Schutz nehmen. Ich habe das Klinikum 2006 verlassen. Ich hätte noch zwei Jahre länger machen können, aber ich wollte die Privatisierung nicht bis zum Ende durchziehen, weil ich wusste, das geht auf Profit hinaus. Und um im Krankenhaus Profit zu machen, geht nur, wenn man Personal reduziert. 70 Prozent der Kosten eines Krankenhauses sind Personalkosten. 70 Prozent. Oder 80 manchmal. Sie können sich vorstellen, was da passiert. Und da bin ich also vorzeitig dort weg. weg. Ich kann mir heute die Mentalität der Kollegen und Schwestern vorstellen, die sich sagen, ich arbeite doch nicht für jemanden, der mit mir Profit macht. Es gab damals eine, wenn ich an unsere alten Stationsschwestern und so weiter denke, die sich in Hintern für ihre Patienten aufgerissen haben. Und die, die eben auch eine Stunde oder zwei Stunden manchmal länger auf der Station geblieben sind, da wurde überhaupt nicht drüber gesprochen. Aber die wussten, sie machen das für ihre Patienten und keiner bereichert sich daran. Aber in dem Moment, wo sowas dann eintritt, ist es eine völlig normale Reaktion. Mit der Zerschlagung oder mit der Privatisierung im Gesundheitswesen sind, ist diese Einstellung zu schlagen worden.

INTERVIEWEE

War Ihnen das quasi zur Wende auch schon, dieser Übergang von sozialistischem Medizinsystem bis hin zum neoliberalen,

RIKE

spätkapitalistischen, war das auch

Lothar Hofmann

schon ein Thema?

RIKE

Also ich war nach der Wende, also vor der Wende schon, ich war einer der ersten, der hier mit im Neuen Forum war und wir hatten im Neuen Forum auch eine Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik und damals hatten wir von Gera aus zum Beispiel, wir sind dann nach Berlin gefahren, da war eine vom Neuen Forum große Beratung, wie geht man dem Gesundheitswesen um, dass wir vorgeschlagen hatten, die ganzen Polykliniken, weil es mir auf den Keks gegangen war, als die Kollegen von drüben, die Polykliniken, die müssen alle weg, die müssen alle weg. Und ich wusste gar nicht warum, aber dass sich da was verändern musste, war klar. Und wir hatten vorgeschlagen, die zu ambulanten diagnostisch-therapeutischen Zentren zu machen, wo sich die Kollegen auch niederlassen konnten, aber als Gesamtkomplex, dass es erhalten bleibt. Naja, in Geraus ist es zum Glück hier soweit gelungen mit den Ärztehäusern, aber woanders eben hat man wirklich Polykliniken total zu schlagen. Das Kuriose ist ja, dass man dann später drauf gekommen ist, dass diese Strukturen ja effektiv sind und patientenfreundlich.

INTERVIEWEE

Also war das damals schon auch ein Debattenthema, wo sie auch involviert

RIKE

war? Ja, ja, ja, ja, ja. Damals die Gesundheitsdezernentin, das war die Frau Grumfleck, die hätte eigentlich Oberbürgermeisterin von Kera werden sollen. Das ist meine Meinung. Und nicht der Herr

Lothar Hofmann

Kallay. Ist Ihnen Herr Kallay ein Begriff? Auch nicht. Ich bin keine Kira, aber ich kriege mir einen Begriff. Von meinen

RIKE

Großeltern haben sie davon mal erzählt. Ja, die Frau Krumfleck, die Kommunalwahlen, die ersten Wahlen, die überhaupt stattfanden, Wahl, der große Sieger war natürlich die CDU und die Frau Krumfleck, die hat die gesamte Umwälzung des Gesundheitswesens hier, die Zusammenführung der beiden Krankenhäuser, das war ja auch eine Herkules-Aufgabe, vor allem weil sich die beiden Krankenhäuser im wahrsten Sinne des Wortes feindlich gegenüber standen, Die hat das meiner Ansicht nach ganz toll bewältigt. Natürlich sind ja auch mal Fehler unterlaufen, aber wem unterlaufen in einer solchen Situation keine Fehler. Die hat sich eben auch dafür eingesetzt, dass diese Polykliniken, zumindest als Ärzteverbünde und so weiter, alles so weit erhalten bleiben. Bis vor ein paar Jahren ist sie gestorben. Die Frau habe ich sehr geschätzt. Zu Herrn Gallai ist nur zu sagen, wir hatten damals, es gab eine Phase, wo wir noch DDR waren, aber die Exekutive in der DDR nichts mehr entschieden hat. Nichts mehr, weil im Grunde genommen das alles dann an die Bürgerbewegung übergegangen war oder man das an die Bürgerbewegung delegiert hat. Neues Forum, Demokratie jetzt und so weiter, was es da alles noch gab. Und wir im Neuen Forum hatten den Sprecherrat. Und vor der Kommunalwahl stellten sich die Kandidaten bei uns vor, vor dem Sprecherrat. Und da erschien Herr Galley, der weder Gerand war, der 15 Jahre in der Volkskammer war, Volkskammerabgeordneter der CDU, aber zehn Jahre war der Vorsitzende der Kommission für innere Sicherheit in der Volkskammer. Da brauchte man nur drei Finger, um sich abzuzählen, was dahinter stand, nämlich Staatssicherheit. Und wir haben ihn dann gefragt, Herr Kalle, haben Sie jemals Geld von der Staatssicherheit angenommen? Hat er gesagt, nein. Ja, der ist Oberbürgermeister geworden, deshalb in den ersten zwei bis vier Jahren nach der Wende hier in Gehrau ist so viel schief gelaufen, deshalb steht die Stadt jetzt auch so nach wie vor so relativ schlecht da. Man hätte das viel viel besser machen können. Damals gab es unheimliche Chancen auch, die hat man nicht ergriffen. Nach zwei Jahren war seine Akte dann als Bürgermeister erledigt, Stasi-Akte.

INTERVIEWEE

Wir hatten auch schon Zeitzeugen, die uns von florierenden, freien Szenen in Kunst und Kultur erzählt haben. Gerade in dieser Zeit, wo es halt Chancen gewesen wären, hätte man die ergriffen. Wollen wir da weitermachen noch kurz in der Richtung? Vielleicht können Sie in ein paar Sätzen noch zusammenfassen, wie sich Ihre berufliche Tätigkeit in den 90er Jahren entwickelt hat und vielleicht noch das Nachspiel der Wismut-Region generell. Es ist wahrscheinlich ein riesengroßes Thema, es hat sich ja gar nicht angekündigt,

Lothar Hofmann

dass die

INTERVIEWEE

Region von diesem Bruch stark geprägt war. Aber vielleicht aus Ihrer eigenen Perspektive noch.

RIKE

Im medizinischen Bereich war natürlich erstmal eine große Aufbruchsstimmung da, wo ich nicht mitgehen konnte, zum Beispiel eben durch eine Darstellung des Detektionheitswesens, was also völlig marode war, wo nichts funktionierte, das völlig falsche Bild. Wenn man ein Foto eines Krankenhauses, wo der Putz abröckelt, zeigt, dann schlagen alle die Hände. Was in dem Haus passiert ist, darüber wurde nie gesprochen. Gut, diese Situation hatten wir hier nicht, aber es gibt verschiedene Aspekte. Übers neue Forum bin ich ja auch in die Vergabekommission gekommen, wo das Land Hessen 1989 schon, Ich glaube 24 Millionen DM für das Land Thüringen. Das Land Thüringen existierte da noch gar nicht, aber für die drei Bezirke. Suhl, Erfurt, Gera zur Verfügung gestellt hat, um medizinische Ausrüstung für die Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen. Die bestand erst einmal aus den drei Bezirksärzte und das Gesundheitsministerium in Wiesbaden wollte dann, es war eben diese Situation, das waren ja dann staatliche Vertreter, die überhaupt keine Legitimation mehr hatten eigentlich und die wollten dann die Bürgerbewegung mit in die Kommission haben und so bin ich damit reingekommen. Und das fand ich unheimlich begabenswert, dass Hessen gesagt hat, wir stellen, 24 Millionen zur Verfügung und kaufen denen Ultraschallgeräte. Und dann habe ich da eben aus dem Ministerium Kollegen kennengelernt, die im Ministerium als Ärzte, Verwaltungsärzte tätig waren, die ein ungeheures Detailwissen hatten über alles. Das hat mich unheimlich beeindruckt auf der einen Seite. Ich habe dann eben aber auch andere Kollegen, die dann ankamen und sagten, die Polykliniken müssen weg und so. Es war sehr differenziert. Aber Das war allgemeine Aufbruchstimmung, weil man plötzlich nicht nur zu wissenschaftlichen Tagungen nach Hamburg oder sonst wo hinfahren konnte und an den deutschen Urologenkongressen teilnehmen konnte, sondern eben auch operative Verfahren einführen konnte, die nicht möglich waren, weil das Material, was dazu notwendig war, die technische Versorgung, das wurde nicht importiert. Hier werden Sie sehen, dass hier zum Beispiel wir haben künstliche Blasenverschlüsse und damals auch sogenannte Penisprothesen implantiert. Das ist ein Produkt, das aus Amerika kam, ein medizinisches Produkt, sehr teuer, 10.000 kostete so ein Ding. Und das war plötzlich plötzlich alles möglich zu machen. Und das war natürlich sehr interessant. Einführung der Stoßwellenbehandlung und so weiter mit Steinen. Das war ja vorher nicht möglich. In der Zeit war ich, glaube die ersten zwei, drei Jahre, war ich jedes Wochenende irgendwo unterwegs auf dem OP-Workshop oder auf einem wissenschaftlichen Tag oder sonst was. Ich bin ja ein Kriegskind, 1943, im Übrigen zu meinem Geburtstag, 12.09.1943 ist Deutschland geteilt worden. Wir sind in der Konferenz von Theara und die ganzen Erfahrungen, die man so aus der Kindheit und so weiter als Nachkriegskind mitbekommen hat und so ein Werdegang in einem repressiven System, bin auch Christ, und dann so eine Wende mitgestalten zu können, das passiert einem Leben nicht so schnell wieder. Man muss sagen, das war sehr interessant. Neues Forum hat sich ja hier in Gerald gegründet, da haben wir uns noch konspirativ getroffen und wussten nicht, wo es hingeht. Wir hätten auch im Bautzen landen können, das wäre auch unmöglich gewesen.

INTERVIEWEE

Vielleicht auch so ein paar Sätze dazu, wie Gera sich verändert hat. Sie haben jetzt erzählt, der medizinische Betrieb und vielleicht dieses kommunalpolitische schauen Sie ein bisschen an, aber vielleicht auch vom

RIKE

Stadtbild, vom Zeitgeist. Ja, würde ich so sagen. Ich liebe diese Stadt, deshalb habe ich auch die Fête de la Musique hier eingeführt. Und das war damals eben auch eine Situation, zum Beispiel 2013, 2014, wo die Stadt vor der Zwangsverwaltung, da hatte sich eine Stimmung über die Stadt gelegt, das war ganz furchtbar, wie Mehtau. Und da haben wir das in Eingriff genommen. Ich finde auch, dass hier in Kera unheimlich viel kulturell stattfindet und so weiter. Im Gegensatz zu vielen, die meinen, hier ist nichts los. Das finde ich immer bemerkenswert, wenn so etwas gesagt wird. Und was mich natürlich furchtbar, mit völligem Unverständnis, natürlich auch Gegnerschaft, wenn ich die Leute sehe, die hier am Montagsland mal durch die Straßen ziehen. Mit denen haben wir uns übrigens Fete La Musique letztens schwer angelegt. Ja, das ist natürlich, ich denke mal, die Stadt leidet darunter durch den wirtschaftlichen Niedergang, den es nach der Wende hatte. Es sind viele junge und dynamische Leute und wenn Leute weggehen, dann sind das ja nicht die Dümmsten, die weggehen. Das sind immer die Aktivsten. Irgendwo hinzugehen und sich zu verändern, dazu gehört eben auch die Bereitschaft dazu und das Know-how, das eigene. Und dass diese Stadt mit einem bestimmten Bürgerklientel ausgeblutet ist, das fehlt jetzt dieser Stadt, das muss ich so sagen. Ich kann mir sonst nicht erklären, dass Leute einem Mann hinterherlaufen, der 18, 18 Einträge im Bundesregister für Kriminalfälle hat. Nur so viel dazu.

INTERVIEWEE

Ja, vielleicht können wir noch mal, wir haben noch ein paar Fragen zum Thema Erinnerungskultur, die nochmal speziell auf die Wismut gerichtet sind, aber wir können auch generell über, wie man diese Zeit probiert zu dokumentieren und auch weiter zu vermitteln an Folgegenerationen. Was denken sie denn, was man über dieses Thema Wismut oder über die Regionalgeschichte Geras, meinetwegen auch

RIKE

über die ganze

INTERVIEWEE

Zeit von den 50ern bis heute hin. Was sollte man da bewahren? Oder was wäre wichtig, auch pädagogisch weiterzugeben? Oder wozu sollte man weiterarbeiten? Was ist noch unaufgedeckt? Was sind so Fragestellungen, wenn man die letzten 70 Jahre Stadtgeschichte Gera anschaut?

RIKE

Naja, die Stadt hat ja eigentlich enormes Potenzial. Wenn man sich allein die Lage der Stadt ansieht, an zwei Autobahnen und verkehrsmäßig und so weiter. Das ist eben, was ich schon sagte, nach der Wende alles verpasst worden. Ich weiß zum Beispiel, dass man in der Stadtverwaltung damals Investoren, die ankamen und sagten, ich will hier einen kleinen Betrieb machen, und wie viele Mitarbeiter? Och, 50 Mitarbeiter. Die hatten ihn weggeschickt. Dass aus 50 500 werden kann. Und wie gesagt, dass man natürlich sowas nie wieder passieren darf. Übrigens hat ein ODZ-Journalist mal vor Jahren ganz ausführlich über die Geschichte Geras geschrieben. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen. Ich habe es noch zu Hause.

INTERVIEWEE

Die

RIKE

wirtschaftliche Entwicklung, was da wirtschaftlich falsch gelaufen ist und die falschen Entscheidungen da, dass man eben Dinge aufgegriffen hat, die ja keinen Grund im Boden hatten, dass man aus Gera eine Handelsstadt machen wollte, also gucken Sie sich mal diese Handelsstadt Also mit den Kaufhäusern, gucken Sie sich das jetzt mal an, das war ein Schluss in den Ofen. Das Konzept war aber damals schon im Grunde genommen gar nicht mehr tragfähig, als man es initiiert hatte. Ja gut, die Stadt hat enormes Bestenpotenzial für eine positive Entwicklung. Es wird natürlich ein langer Weg sein, die Stadt aus dem Tief, und es sind ja in den letzten Jahren auch Fortschritte zu sehen, sowohl wirtschaftlich, das auszuschöpfen. Aber dazu muss man eben auch bestimmte Konzepte, tragfähige Konzepte erarbeiten. Und es darf meines Erachtens nicht so ewig lange dauern und Geras neue Mitte oder sowas nicht, dass sich das über Jahre hinschleppt, zerredet oder sowas, das stört mich ja, sowas müsste auf alle Fälle viel schneller gehen und auch im Bereich der Kultur, wo ich ja nun, denke ich, einen relativ guten Einblick habe, dass man da Konzepte auf die Beine stellt, dass das wirklich eine Entwicklung nimmt, die in eine Richtung geht, wo es prosperiert. Zum KUK zum Beispiel, da hatte ich einen Patienten, der mir gesagt hat, das KUK könnte man ohne weiteres profitabel betreiben, also nicht als Zuschussbetrieb, sondern das ist, und wenn so ein Ding hier dasteht, muss es natürlich auch was abwerfen, das kostet ja auch Geld, aber über Jahre und Jahrzehnte hat man kein Konzept entwickelt, jetzt sowas zu machen oder die Leute heran zu holen, die sowas machen können. Das war mir auch immer unverständlich, völlig unverständlich, wenn man sowas... Ja, aber ich denke jetzt so, es gibt Zeichen dafür, dass das alles in Eingriff genommen wird und dass es in eine positive Richtung geht.

INTERVIEWEE

Vielleicht können Sie sagen, dass Sie Einblick auch in den Kulturbetrieb generell haben. Haben sie Einblicke, verfolgen sie die Weiterführung dieser Bergbaukultur, wie ist ihre Einschätzung zu

RIKE

dem

INTERVIEWEE

Bergbau-Traditionsverein oder solche Dinge, die weiterhin noch an die Wismut erinnern?

RIKE

Ja, das sollte auf alle Fälle bewahrt werden, doch, ja. Und da spielen Vereine natürlich eine große Rolle. Und ich denke mal, Vereine werden dann auch so die tragenden Säulen sein, sowas zu machen. Wenn Sie die Bergmannsumzüge im Erzgebirge, das ist ja eine Tradition aus dem Mittelalter, die heute immer noch gepflegt wird und die Zehntausende von Leuten anlocken und so. Und das ist natürlich etwas, was man unbedingt im historischen Gedächtnis bewahren sollte. Auf jeden Fall wird ja diese Region geprägt und im Grunde genommen sind ja auch Denkmale erhalten geblieben mit der Umwandlung eines Tagesbaues in eine neue Landschaft oder sowas, das ist ja schon Erinnerungskultur. Auf jeden Fall, ja, das ist schon ganz wichtig. Ja, was ja immer in der Diskussion ist, ist ja die Kunstsammlung der Wismuth, die Gemäldesammlung. Da muss man immer ein bisschen, ja, auch realistisch sein, sowas als Dauerausstellung zu machen zum Beispiel. Das würde auf Dauer nicht funktionieren. Das ist, weil es einfach zu speziell ist und die Leute, die einen unmittelbar noch persönlichen Bezug dazu haben, die sterben ja weg, ja, und die anderen, die haben ja dann nur noch einen Kunstbezug dazu, die sich das dann ansehen und so viele werden das dann nicht mehr. Man muss immer sehen, ob etwas tragfähig ist, dass so, dass diese Gemälde natürlich erhalten bleiben müssen, in welcher Form und auch immer mal präsentiert werden müssen. Wenn sie nach Gera kämen, wäre gut, da wäre es aber auch gut, wenn Gera ordentliche Lagerbedingungen hätte. Das brennt nämlich in dieser Stadt ganz gewaltig. Und das ist jetzt die Aufgabe unseres neuen Kulturamtsleiters, die Depots, die Depotsfrage zu klären. Auch dazu ist eben auch Geld notwendig.

INTERVIEWEE

Dieser Kunstsammlung wird sich ja die Bismuth-Erbe-Stiftung ja auch mit annehmen, dieser Frage. Und da hat natürlich Chemnitz noch ein großes Volk mitzureden, die natürlich auch die Vorstellung gern dort haben wollen.

RIKE

Ja, sicher. Chemnitz war ja nun die Zentrale der Bismuth und keine Frage.

INTERVIEWEE

Wird euch noch was ein in die Richtung oder habt ihr noch irgendwelche Fragen, die wir noch gar nicht thematisiert haben, irgendeine Gruppe, die wir noch berücksichtigen müssen.

Lothar Hofmann

Die hier auf der Neuen Landschaft haben Sie ja schon erwähnt. Wie finden Sie denn, dass die Ideen umgesetzt wurden? Also, haben Sie das gut umgesetzt, den Bergbau in der Neuen Landschaft umzusetzen? Oder

RIKE

gibt es da was, was man hätte anders machen können? Doch, finde ich. Ich meine, man hat ja bestimmte Dinge des Tagebaus in gewisser Weise schon auch in der Landschaft versucht darzustellen, dass man daraus eben auch etwas, gerade es ist ja nur im Rahmen der Buga entstanden, machen musste, was die Leute auch anzieht, ist auch eine Sache, dass das auch ein Ort ist, wo man sich gerne aufhält oder wo man gerne durchläuft und durchfährt und ich halte es eigentlich für eine gelungene Sache und Grunde genommen, ja, da bin ich jetzt überfordert, aber ich wünschte mir, es würde eben, jetzt sage ich es mal gänsefüßig, im gänsefüßigen Gesetz, so Marketing-mäßig ein bisschen besser vermarktet. Dazu, aber wie gesagt, wenn es eine Kommune nicht schafft, da müssen dann eben auch starke Vereine sein, die dann sich da mit einbringen und ja, aber ich denke schon, dass das ein Erinnerungsort für diesen Tag aber auf jeden Fall ist und gerade mit der Tragen-Schwarzbrücke und so weiter, da ist sehr vieles sehr gut gelungen, denke ich mal.

INTERVIEWEE

Wir reden jetzt schon über anderthalb Stunden. Oh, ja? Für die Kinder, wie die Zeit vergeht.

RIKE

Ich muss noch mal zum Theater. Ja, da

INTERVIEWEE

wollen wir Sie auch nicht von abhalten. Ihr habt jetzt noch eine brennende Frage. Ich habe sowieso ganz viele Anschlussfragen. Also gerade mein Hirn rattert eigentlich nach dem Zeitzugespräch noch viel mehr als vorher. Aber dann würde ich mich erst mal unglaublich herzlich bedanken für dieses, es war auch sehr gut vorbereitet einfach, aber es ist vielleicht, wenn man sich viel damit auseinandersetzt, auch gar nicht so viel spontane Vorbereitung nötig. Genau, herzlichen Dank dafür, erst mal von Projektseite, dass sie ihre

Lothar Hofmann

Freizeit dafür

INTERVIEWEE

opfern.

RIKE

Ja, wir haben

Lothar Hofmann

auch zu danken. Ich denke, es hat uns beiden wirklich sehr viel weitergeholfen. Okay, gerne. Das ist sehr interessant. Ja, auch interessant auf jeden Fall.

RIKE

Gut,

Lothar Hofmann

so,

RIKE

das dürfen Sie mitnehmen. Also wie gesagt, nur noch mal zur Erklärung. Dieser Dr. Weiner, der hat eine 10- und 20-Jahres-Chronik mal gemacht. Die haben wir fast kaum verändert. Das können Sie im Vorwort nachlesen. Wir wollten eben auch das Leben im sozialistischen Gesundheitswesen nicht verfälschen und zeigen. Das geht halt so bisher her. Dann kommt das hier, das ist die Chronik der urologischen Klinik 85 bis 94, wo es noch Berg, also eigenständige Klinik, das quasi Bergarbeiterkrankhaus war und 94 sind ja dann die beiden Kliniken zusammengezogen und das ist dann der dritte Teil. Ja, hier sind solche Dinge. Das ist z.B. eine Röntgenaufnahme eines künstlichen Blasenverschlusses.